Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
Licht.
Die Leute strömten wieder in das Zimmer, vor dem ich hockte, und ich tauchte unter dem Fensterbrett ab. Vorher hatte ich noch einen kurzen Blick auf eine Frau um die vierzig werfen können, die ihr blondes Haar in einem beeindruckenden Knoten trug und die ein freundliches Lächeln hatte. Mit einem Schlag bemerkte ich, dass diese Frau in den Grundzügen eine ältere Version von Courtney war. Vielleicht war sie ihre Schwester.
»Du!«
Ich zuckte zusammen. Courtney hatte sich umgedreht, wahrscheinlich um den Gästen zu folgen, die sich in andere Zimmer begaben, und hatte mich dabei entdeckt.
»Was tust du denn hier? Du kleine Schlange!« Courtneys Gesicht war zu einer wutverzerrten Grimasse verzogen, obwohl in ihren Augen noch immer die Tränen glänzten. »Was gibt dir das Recht, mir nachzuspionieren?«
»Habe ich nicht … Ich wollte nicht …« Aber ich war ihr schließlich tatsächlich gefolgt, und zwar ganz vorsätzlich, und ich konnte es ihr nicht erklären, ohne zu viel zu verraten. »Wie bist du überhaupt hier in die Stadt gekommen? Du brauchst die Erlaubnis von Mrs. Bethany, wenn du den Campus verlassen willst.«
»Es gibt da einen Wäscheservice, bei dem man heimlich mitfahren kann, was dir vielleicht schon aufgefallen wäre, wenn du nicht so dämlich wärst.« Courtney packte mich am Ellbogen und zerrte mich vom Haus weg. Ich verstand, dass sie nicht bemerkt werden wollte. Die Menschen im Innern wussten lediglich, dass Courtney vor einem Vierteljahrhundert gestorben war, sonst nichts. Wenn sie sie jetzt sehen würden, auferstanden von den Toten, eine Vampirin … Ich konnte mir kaum ausmalen, wie sie reagieren würden. Courtney wahrscheinlich auch nicht.
»Es tut mir leid«, sagte ich leiser. »Ich wäre dir nicht hinterhergegangen, wenn ich es gewusst hätte.«
»Wenn du was gewusst hättest? Was glaubst du denn, herausgefunden zu haben?« Courtney grinste mich an, aber dieses Grinsen war so entsetzlich unecht, dass es sie noch trauriger wirken ließ, als die Tränen allein es vermocht hatten. »Alles, was ich weiß, ist, dass du den Abend mit Balthazar verbringen solltest, was nicht der Fall ist.«
So ein Mist. Ich hätte wissen sollen, dass Courtneys Klatsch-und-Tratsch-Sensoren nicht lange abgeschaltet sein würden.
»Was ist denn los, Bianca? Ärger im Paradies?« Sie verschränkte die Arme und warf ihre Haare zurück, mit einem Schlag wieder obenauf und ganz Königin der Schule. »Habt ihr euch gezofft? Oder müsste man fragen: Habt ihr euch mal wieder gezofft?«
»Wenn es mich nichts angeht, dass du hier bist, geht es dich auch nichts an, dass ich hier bin. Also lass mich in Frieden, und ich tu dir den gleichen Gefallen.«
Auch wenn Courtney ganz eindeutig noch weiter auf dem angeblichen Scheitern meiner angeblichen Beziehung herumtrampeln wollte, war es ihr offenbar noch wichtiger, dass ich meinen Mund halten würde. »Wenn du auch nur ein einziges Wort über das hier verlierst - ein Wort zu irgendjemandem -, dann werde ich es erfahren.«
»Dein Geheimnis ist sicher bei mir.«
»Ich habe keine Geheimnisse.«
Noch immer konnten wir das Gelächter von der Party hören. Ich starrte Courtney entschlossen in die Augen, und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Abrupt drehte sie sich um und wollte gehen - und blieb wie angewurzelt stehen. Als ich die Stimmen hörte, erstarrte ich ebenfalls. Nein, nein, nein, nicht jetzt.
»Wir wissen doch gar nicht sicher, ob Bianca in Schwierigkeiten steckt«, sagte Lucas.
Balthazar lief im Gleichschritt neben ihm. »Sie war zum vereinbarten Zeitpunkt nicht auf dem Marktplatz. Und das klingt für dich nicht nach Ärger?«
»Es ist nicht untypisch für Bianca, nicht da zu sein, wo sie sein sollte. Wenn du sie besser kennen würdest, wäre dir das vielleicht auch schon aufgefallen«, sagte Lucas. Dann brach er ab. Ich wusste, dass er Courtney und mich gesehen hatte, was bedeutete, dass auch Courtney ihn entdeckt haben musste. Lucas. Den Jäger vom Schwarzen Kreuz.
»Heilige Scheiße«, hauchte sie. »Du … Lucas Ross … Das ist …«
»Courtney, hör mir zu.« Balthazar kam mit raschen Schritten auf uns zu, die Hände ausgestreckt. Das war mehr Aufmerksamkeit, als er ihr je geschenkt hatte, aber sie wich wie angewidert zurück. »Ich kann das erklären.«
»Du hast eine Erklärung dafür, warum du mit einem Jäger vom Schwarzen Kreuz durch die Gegend ziehst? Na, da bin ich aber mal gespannt.«
Lucas biss die Zähne zusammen. »Ich bin
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