Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
heute nicht auf der Jagd.«
»Oh, wow, da bin ich aber erleichtert. Heute bist du also mal nicht unterwegs, um mich oder meine Freunde umzulegen. Super, dann lass uns doch heute mal dicke Kumpel sein, bis du dann morgen deine Meinung wieder änderst.« Courtney umklammerte die Aufschläge ihres Mantels und zog den Stoff enger um ihren Körper. »Ich habe dich durchschaut, Lucas. Du bist ein irrer Psychokiller, das ist dein Motiv. Und dich habe ich ebenfalls durchschaut, Bianca. Du bist immer noch in deinen durchgeknallten Psycho-Ex verschossen. Das ist armselig, doch eigentlich genau das, was ich von einer Versagerin wie dir erwartet habe. Aber Balthazar? Was machst du denn hier? Was denkst du dir denn bloß dabei?«
»Ich könnte dir alles erklären, wenn du nur mal zuhören würdest.« Balthazar sah nun ebenfalls aus der Fassung gebracht aus - fast ein bisschen ängstlich. Ich hatte ihn noch nie zuvor ängstlich gesehen, nicht einmal auf dem Herbstball. Er wusste ebenso gut wie ich, dass Courtney uns mit großer Wahrscheinlichkeit bei Mrs. Bethany anschwärzen würde.
Courtney dachte nicht daran, ihm zuzuhören. Ohne ein weiteres Wort stapfte sie davon.
Lucas machte eine Geste hinter ihr her. »Was denn … Ihr lasst sie einfach so gehen?«
»Was sollen wir denn tun?«, protestierte ich. »Sie pfählen?«
Courtney, der offensichtlich nicht klar war, dass ich eine sarkastische Bemerkung gemacht hatte, verfiel in einen Laufschritt. Balthazar stürmte ihr nach, und Lucas und ich folgten den beiden. Mir war klar, dass Balthazar und ich versuchten, Courtney einzuholen, um sie zu beruhigen und ihr alles zu erklären. Was Lucas jedoch im Sinn hatte, wusste ich nicht so genau.
Ich hasste es, wenn ich mir bei etwas nicht sicher war.
»Courtney, warte!«, rief ich.
Sie rannte nur noch schneller. Balthazar jedoch war flink, und es gelang ihm, sie an der Schulter zu packen und herumzudrehen. Courtney schrie kurz auf, aber Balthazar redete besänftigend auf sie ein: »Wir wollen dir doch nichts tun, Courtney.«
»Mir nichts tun? Und was hat der Typ vom Schwarzen Kreuz dazu zu sagen?«
Lucas seufzte schwer: »Du hast nichts zu befürchten.«
Courtney legte den Kopf schräg, als hätte er in einer ihr unbekannten Sprache gesprochen. »Was auch immer das für eine bizarre Geschichte ist, die ihr da am Laufen habt, das ist alles total irre.«
»Wo du recht hast, hast du recht«, sagte Balthazar. »Der Punkt ist, dass das alles keine Gefahr für dich oder sonst irgendeinen Vampir darstellt, und wir wären dir sehr verbunden, wenn du die Sache für dich behalten würdest.« Der arme Balthazar! Er versuchte mit aller Macht, ruhig und vernünftig zu bleiben, obwohl er gleichsam einem wild gewordenen Bullen gegenüberstand.
»Wenn du beim Schwarzen Kreuz mitmachst, dann kann ich das nicht geheim halten.« Courtney wich vor uns zurück. Sie stieß mit dem Rücken gegen einen geparkten Kleinbus, dann wirbelte sie herum und presste die Hände flach auf das Metall wie eine blinde Person, die sich ihren Weg ertasten muss. »Das ist gefährlich. Du solltest es besser wissen, Balthazar. Du bist derjenige, den Mrs. Bethany für alles verantwortlich machen wird.«
Plötzlich schrie Courtney auf und presste die Hände an ihre Brust. Zwischen ihren Fingern hindurch ragte die Spitze eines Pflocks.
Ich keuchte. Eine schreckliche Sekunde lang glaubte ich, dass Lucas sie angegriffen hatte, aber nein - der Stoß war von hinter ihr gekommen. Courtney stolperte ein oder zwei Schritte vorwärts, dann brach sie auf der Straße zusammen, und ein Holzschaft stach aus ihrem Rücken hervor.
Hinter ihr stand Charity.
Balthazar starrte seine Schwester an, jedoch nicht entsetzt, sondern viel eher verwundert. Charity trug Jeans, die so ausgeblichen waren, dass sie beinahe grau wirkten, und durch ein halbes Dutzend Risse und Löcher hindurch konnte man die schwarzen Strumpfhosen sehen, die sie darunter anhatte. Ihr unförmiger Pullover war am Hals ausgefranst. Charity lächelte Balthazar traurig an. »Das Mädchen hätte dir was getan«, sagte sie und stieß Courtneys reglosen Körper mit der Spitze ihres Silberschuhs an. »Das konnte ich doch nicht zulassen, oder?«
»Charity. Das hättest du nicht … Aber du wolltest ja nur helfen, und deshalb … danke.« Balthazar streckte eine Hand aus, aber Charity machte rasch einige Schritte zurück.
»Sie hat aber schlaue Fragen gestellt.«
Charitys dunkle Augen schossen zu Lucas. »Warum verbringst
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