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Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Titel: Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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Beweis gestellt, wie viel Überblick sie hatte und wie gut sie jeden Einzelnen von uns - selbst Vic - verstand. Ich war froh, dass ich Lucas’ Karte und Brief bereits entsorgt hatte. Ich hätte sie am liebsten für immer aufbewahrt, aber es war einfach zu gefährlich. Außerdem blieben mir ja noch die Sterne.
    Immer wieder suchte ich das Bild des Andromeda-Nebels am Nachthimmel. Oktober schien noch Lichtjahre entfernt zu sein, dabei konnte ich es beinahe nicht mehr abwarten.

4
    Nachdem der erste Rausch der Aufregung verflogen war, musste ich mich mit der Frage befassen: Wie sollte ich es anstellen, nach Amherst zu kommen?
    Den Schülern war es nicht erlaubt, ihre eigenen Autos mit in die Evernight-Akademie zu bringen. Nicht, dass ich eins gehabt hätte, um es mitbringen zu können, aber es bedeutete, dass ich mir auch keines von einem Freund ausleihen konnte.
    »Warum eigentlich dürfen Schüler keine Autos haben?«, fragte ich Balthazar leise, als er mich an einem der ersten Schultage zu meinem Englischkurs begleitete. »Einige Leute fahren schon Auto, seitdem es Autos gibt, die man fahren kann. Man sollte doch meinen, dass Mrs. Bethany ihnen hinterm Steuer vertraut.«
    »Du vergisst, dass es Evernight schon länger als das Automobil gibt.« Balthazar starrte zu mir herunter, und es war einer jener sonderbaren Momente, in denen mir klar wurde, dass er beinahe dreißig Zentimeter größer war als ich. »Als die Schule gegründet wurde, hätte jeder Pferde und Kutschen mitgebracht, und das alles wäre wohl weitaus schwieriger unterzubringen gewesen als Autos. Die Pferde hätten versorgt und die Ställe ausgemistet werden müssen.«
    »Wir haben doch Pferde im Stall.«
    »Wir haben sechs Pferde. Nicht dreihundert. Das macht einen großen Unterschied, was die Versorgung angeht …«
    »Und erst, was das Ausmisten betrifft«, beendete ich seinen Satz und schnitt eine Grimasse.
    »Genau. Ganz zu schweigen von den verletzten Gefühlen, wenn die Leute Hunger bekämen und sich an den Transportmitteln ihrer Mitschüler vergreifen würden.«
    »Ganz genau.« Arme Pferde. »Trotzdem ist es ja nicht sehr wahrscheinlich, dass irgendjemand einen Toyota verputzt. Und es gibt mehr Platz als genug, wo die Leute parken könnten. Warum hat denn Mrs. Bethany die Regeln nicht angepasst?«
    »Mrs. Bethany? Die Regeln anpassen?«
    »Auch wieder wahr.«
     
    Mrs. Bethany beherrschte ihren Klassenraum wie eine Richterin ihren Gerichtssaal. Sie sah auf alle ringsum hinab, war vollständig in Schwarz gekleidet und hatte ganz offenkundig das Sagen. »Shakespeare«, begann sie, und ihre Stimme hallte durchs Zimmer. Jeder von uns hatte eine ledergebundene Gesamtausgabe von Shakespeare vor sich liegen. »Selbst die am wenigsten gut Ausgebildeten unter euch werden sich schon vor dem heutigen Tag in irgendeinem Zusammenhang mit den Stücken Shakespeares beschäftigt haben.«
    Bildete ich es mir ein, oder hatte mich Mrs. Bethany angesehen, als sie von den »am wenigsten gut Ausgebildeten« gesprochen hatte? Wenn man sich das hämische Grinsen auf Courtneys Gesicht ansah, dann redete ich mir vermutlich überhaupt nichts ein. So sank ich an meinem Tisch zusammen und starrte auf den Buchdeckel.
    »Da ihr alle bereits mit Shakespeare vertraut seid, könntet ihr zu Recht fragen: Warum hier? Warum schon wieder?« Während Mrs. Bethany sprach, machte sie ausladende Gesten, und ihre langen, dicken, geriffelten Fingernägel erinnerten mich an Klauen. »Zunächst ist das tiefe Verständnis von Shakespeare schon seit Jahrhunderten die Grundlage des westlichen Kulturgutes. Und wir können davon ausgehen, dass sich das auch in den nächsten Jahrhunderten nicht ändern wird.«
    Die Ausbildung in Evernight diente nicht der Vorbereitung auf irgendein College, ja war nicht einmal dafür gedacht, einen schlauer oder glücklicher zu machen. Sie sollte die Schüler durch das unvorstellbar lange Leben der Untoten tragen. Diese Lebensspanne war etwas, das ich mir vorzustellen versuchte, seitdem ich ein kleines Mädchen war und erfahren hatte, dass ich anders als die übrigen Kinder im Kindergarten war.
    »Zweitens sind diese Stücke seit ihrer Entstehung auf vielfältige Weise interpretiert worden. Shakespeare war ein beliebter Unterhaltungskünstler in seiner Zeit. Dann war er ein Dichter und Künstler, dessen Werke von Gelehrten gelesen werden und nicht der Zerstreuung der Massen dienen sollten. In den letzten hundertfünfzig Jahren erfreuten sich Shakespeares Stücke

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