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Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung

Titel: Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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ihr etwas anzutun -, aber ich hielt es für gar keine gute Idee, das jetzt oder jemals sonst zu erwähnen. Vorsichtig setzte ich an: »Glaubst du an … tja also … an …«
    »Gott? Nee.« Raquels Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie versucht hatte, einen Witz zu reißen, um die Sache für mich einfacher zu machen. »Den Weihnachtsmann? Und noch einmal nein.«
    »Das habe ich mir schon gedacht.« Ich schluckte mühsam. »Ich wollte dich fragen, ob du an Gespenster glaubst.«
    Ich war darauf vorbereitet gewesen, dass Raquel mich auslachen würde. Wer hätte es ihr verübeln können? Ich hatte erwartet, dass sie mich mit Fragen bestürmen würde, wie ich denn auf so etwas käme. Ich hatte geglaubt, auf jede denkbare Reaktion vorbereitet zu sein. Aber ich hatte falschgelegen.
    »Halt den Mund.« Sie rutschte auf dem Bett zurück, als ob sie mehr Distanz zwischen uns bringen wollte. »Halt einfach den Mund. Und zwar sofort.«
    »Raquel … Ich habe doch nur gefragt …«
    »Ich sagte, halt den Mund!« Ihre Augen waren weit aufgerissen, und ihr Atem ging schnell. »Ich will nie mehr hören, dass du noch einmal etwas in der Art sagst. Niemals wieder. Hast du mich verstanden?«
    Ich nickte und hoffte, dass ich sie damit beruhigen würde. Stattdessen sah sie nur noch mehr so aus, als ob sie in Panik geriete. Sie sprang aus dem Bett, schnappte sich ihre Duschsachen, lief zur Tür, obwohl es bis zum Beginn des Unterrichts noch Stunden hin war, und knallte sie hinter sich zu. Von weiter unten auf dem Gang war Courtneys verschlafene Stimme zu hören: »Was ist denn da hinten los?«
    Ich wünschte, ich wüsste es, doch mir war nur klar, dass ich gerade Zeugin von etwas Unerklärlichem gewesen war und dass die bloße Erwähnung dessen Raquel in größere Angst versetzt hatte, als ich selber empfand.
    Der Adrenalinschub, der mich im Aktenraum hatte hellwach werden lassen, verebbte in der Mitte des morgendlichen Psychologieunterrichts. In der einen Sekunde machte ich mir noch Notizen über Adlers Theorien, und in der nächsten fühlte ich mich, als könnte ich mich mit dem Gesicht zuerst auf meinen Tisch fallen lassen. Erschöpft stützte ich mich auf einen Ellbogen und versuchte, mich weiter um meine Aufzeichnungen zu kümmern, so gut ich konnte.
    Als der Unterricht endlich vorbei war, wusste ich, dass sich der Rest des Tages wie eine Ewigkeit anfühlen würde. Normalerweise hätte ich versucht, für einen kurzen Mittagsschlaf hinauf in unser Zimmer zu rennen, aber vielleicht würde ich dort auf Raquel stoßen, und die Stimmung zwischen uns war zweifellos seltsam im Augenblick.
    Während ich langsam den Gang entlangtrottete und sich rechts und links von mir die Schüler in den Sweatshirts der Schuluniform vorbeidrängelten, entdeckte ich durch Zufall ein freundliches Gesicht. »Hi, Balthazar.« Eigentlich wollte ich ihm nur rasch im Vorbeigehen zuwinken.
    Er jedoch lächelte mir wärmer zu als jemals vorher.
    »He, du«, murmelte er, als er die Richtung änderte und mir besitzergreifend den Arm um die Schultern legte. Erst dann fiel mir wieder ein, dass Balthazar und ich vorgaben, ein Paar zu sein. Seine Lippen waren ganz dicht an meinem Ohr, als er flüsterte: »Versuch doch wenigstens, erfreut auszusehen.«
    »Eigentlich bin ich tatsächlich total froh, dich zu treffen. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
    »Klar. Komm mit.«
    Balthazar führte mich durch den Gang und die Treppe hinunter, bis wir im Erdgeschoss der Schule ankamen. Etliche Leute sahen uns auf dem Weg, und ich bemerkte einige hochgezogene Augenbrauen und Flüstern. Und obwohl ich wusste, dass unsere Beziehung nur vorgetäuscht war, kam ich nicht dagegen an, mich stolz zu fühlen, dass ich mit einem so fantastischen Typen gesehen wurde. Und wenn ich mir Courtneys Reaktion vorstellte, musste ich lachen.
    Während wir jedoch durch die Große Halle zum Haupteingang liefen, wurden wir noch von jemand anderem gesehen.
    Vics allgegenwärtiges Lächeln verblasste, als er mich Arm in Arm mit Balthazar sah, und mir wurde das Herz schwer. Vic und Lucas waren noch immer gute Freunde, und Vic war das Risiko eingegangen, Lucas’ Brief zu schmuggeln und mir zu übergeben. Wenn er mich nun so sah, musste er unweigerlich glauben, dass ich Lucas hinterging - und es war ja nicht so, dass ich ihn vom Gegenteil hätte überzeugen können.
    Vic sagte kein Wort. Er senkte einfach den Blick und tat so, als wäre unglaublich interessiert an seinen Schnürbändern. Ich

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