Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
herausfinden.« Ich hatte noch nie mit einem Teleskop dieser Größe gearbeitet, jedenfalls nicht allein, aber während der Mittelstufe war ich mal in einem naturwissenschaftlichen Sommerlager gewesen, und in dieser Zeit hatten wir auch ein Observatorium besucht. Außerdem hatte ich genügend Bücher gelesen, um eine Vorstellung von der Bedienung zu haben. Zuerst orientierte ich mich - Nord, Süd, Ost, West -, dann stellte ich die Linse nach dem nächsten Sternbild ein. Nun war klar und deutlich ein Nebel zu erkennen, den ich sonst immer als etwas verschwommenen Stern wahrgenommen hatte, und er sah beinahe aus wie in einem meiner Bücher. Nur besser, denn hier sah ich ihn mit eigenen Augen, nicht nur als Abbildung. »Oh, wow!«
»Kann ich auch mal sehen?«
»Der Orionnebel. Sieh mal.« Ich trat zur Seite, damit Lucas durch die Linse schauen konnte, und ich legte meine Arme um ihn, gerührt und aufgeregt darüber, dass er mir ein so bedeutungsvolles Geschenk gemacht hatte. Einen Moment lang dachte ich an Balthazar, dem ich diese Sternenkonstellation letztes Jahr gezeigt hatte, aber von so viel weiter weg. Ich hoffte, dass es ihm gut ging, so ganz allein im Kino.
»Das ist ja Wahnsinn.«
»Mhmhm.« Lucas war so warm in meinen Armen, und ich merkte, wie sich seine Aufmerksamkeit von den Sternen ab- und mir zuwandte. Ich wollte liebend gerne die Möglichkeit ausnutzen, die Sterne so detailliert zu sehen, aber es wurde schwerer und schwerer, an irgendetwas anderes zu denken als daran, wie nah Lucas und ich einander waren. Wenn wir doch nur immer so eng beisammen sein könnten. Ich würde alles dafür tun, und Lucas sicher auch.
Lucas drehte sich vom Teleskop weg und küsste mich sanft. Ich nahm sein Gesicht in meine Hände, um seinen Kuss zu erwidern, tiefer und inniger dieses Mal. Aber das reichte mir nicht. Immer härter und stürmischer küsste ich ihn, bis mir der Atem in der Kehle stockte.
»Ich habe dich vermisst«, flüsterte Lucas in meine Haare. »Jede Nacht, wenn ich schlafen gehe, denke ich nur an dich, außer in den Nächten, in denen ich überhaupt nicht schlafen kann, weil ich mich so schrecklich nach dir sehne.«
»Ich weiß.« Ich machte meine Jacke auf und schob seine Hände darunter, und als er sie an meinen Seiten hinaufgleiten ließ, erschauerte ich. »Ich mich auch.«
Lucas streichelte meine Haut, und seine Fingerspitzen strichen leicht über meine Brüste, und dann konnte ich es nicht mehr abwarten. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich setzte mich auf den metallenen Boden und zog Lucas mit mir hinab. Während er sich neben mich legte, öffnete ich ungeduldig mein Oberteil; jeder Knopf ploppte durchs Loch, kurz bevor ich ihn ganz abriss. Erstaunt starrte Lucas mich einen Moment lang an, ehe er seine eigene Jacke aufmachte und sich auf mich legte, mich beschützte, mich warm hielt.
Unsere Küsse waren jetzt fiebriger, beinahe verzweifelt. Was ich empfand, ließ sich nicht in Worte fassen. Mir war schwindlig, und ich war überglücklich, als ich meinen Kopf in den Nacken legte. Die Sterne schienen sich zur Seite zu neigen und über die offene Kuppel hinwegzuwirbeln. Meine Finger grub ich in Lucas’ Haar, damit ich ihn festhalten konnte, solange ich mich so in seinen Armen fühlte.
Er will es so gerne wie ich , dachte ich. Lucas weiß, worauf dies alles zusteuert, und er will nicht aufhören .
Dann küsste er wieder meinen geöffneten Mund; wir atmeten beide schwer und wurden immer wilder. Lucas schob einen seiner Oberschenkel zwischen meine Beine. Ich legte meine Hände rechts und links auf sein Gesicht. »Du und ich … Willst du, dass ich … Soll es jetzt passieren?«
»Was?« Lucas’ Stimme schien aus großer Entfernung zu mir durchzudringen. »Oh. Ich … Ich dachte nicht, dass wir heute Nacht …«
»Ich auch nicht, aber ich merke, dass du es willst.« Ich küsste ihn. Er zitterte, vielleicht vor Aufregung. Es war genauso wie letztes Jahr oben im Nordturm, und ganz genauso überwältigend und verzweifelt. »Dann werden wir wirklich und für alle Zeiten zusammen sein.«
»Bist du sicher?«
»Es verändert alles … für uns beide … aber: Ja. Ich bin mir sicher. Und du?«
Er warf mir dieses lässige, sexy Grinsen zu, bei dem mir immer überall warm wurde. »Absolut.« Als wir uns wieder küssten, war es auf eine andere Weise intensiv, entschlossen und voller Verlangen. Dann flüsterte Lucas noch einmal an meiner Wange: »Hast du … du weißt schon … was mit,
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