Evernight Bd. 2 Tochter der Dämmerung
deine kleine Schwester stirbt, und sag mir dann, dass du nicht bis in alle Ewigkeit versuchen würdest, es wieder gutzumachen. Und wenn du all das getan hast, Lucas, dann kannst du dich mit mir noch einmal über Wahlmöglichkeiten unterhalten. Bis dahin sag mir einfach, was ich wissen muss, und halt dann die Klappe.«
»Schon gut«, sagte Lucas, und er war jetzt ruhiger. »Ich habe es verstanden, okay? Wir müssen alle tun, was wir tun müssen, und das ist in Ordnung für mich.« Er zog ein kleines Notizbuch aus der Jackentasche und reichte es Balthazar. »Hier stehen einige Informationen über sie - über Charity, meine ich. Es sind einige Bemerkungen über unsere letzte Jagd. Hast du irgendeine Ahnung, wer diese ›Freunde‹ sind, mit denen sie unterwegs ist?«
»Nicht die Spur einer Idee.« Balthazar war bereits damit beschäftigt, durch das Notizbuch zu blättern und die Seiten nach Informationen abzusuchen.
»Die meisten Details sind wahrscheinlich nutzlos, aber vielleicht ist da ja irgendetwas. Und beim nächsten Mal stelle ich ein paar Infos zusammen, die nur sie betreffen, und schreibe sie so auf, dass du vielleicht ein Muster darin erkennen kannst.« Nach einigen Sekunden Pause fügte er hinzu: »Ich hoffe, es hilft dir.«
»Danke«, erwiderte Balthazar, und es klang ernst gemeint.
In der Stille, die folgte, versuchte ich, mir irgendetwas einfallen zu lassen, was ich sagen könnte nach dem, was wir gerade über Balthazars Vergangenheit erfahren hatten, aber die Worte waren alle unpassend. Also umarmte ich ihn rasch. »Alles okay mit dir?«
»Ja, ja. Sieht aus, als würde ich einfach ins Kino gehen.« Er erwiderte die Umarmung gerade lange genug, um mich daran zu erinnern, dass Lucas uns beobachtete. »Wir sehen uns in zwei Stunden.«
Als Lucas und ich im Wagen seiner Mutter wegfuhren, fragte er: »Und mit dir? Ist bei dir auch alles in Ordnung?«
»Ja, na klar. Aber ich mache mir Sorgen wegen Balthazar. Ich wusste nicht, was damals geschehen war. Und ich kann mir auch jetzt kaum vorstellen, wie entsetzlich das gewesen sein muss.«
»Hinter mir waren Vampire her, seitdem ich geboren wurde. Ich muss mir nichts vorstellen.«
»Ich weiß, dass einige von uns Killer sind«, sagte ich leise. »Das weiß ich jetzt schon seit einer ganzen Weile. Aber wir sind nicht alle so.«
»Stimmt, das ist mir auch klar geworden. Aber wir kennen beide nicht die Wahrheit hinter dem, was uns unsere Eltern immer erzählt haben, und wissen nicht, wie wir diese unterschiedlichen Darstellungen in Einklang bringen sollen.«
Ich seufzte. »Ich will nicht mehr darüber reden, ja?«
»Einverstanden.«
»Hey, wohin fahren wir denn?« Die Scheinwerfer des Wagens erhellten die Straße vor uns, aber wir befanden uns in einer Gegend von Riverton, die ich nicht wiedererkannte. Und wir fuhren steil bergauf.
»Keine Sorge.« Lucas grinste. »Bis zum Zapfenstreich bist du wieder zurück. Aber unser Zielort ist eine Überraschung.«
Trotz der angespannten Stimmung, die sich vorher über uns gelegt hatte, musste ich ein bisschen lächeln. »Irgendein Tipp?«
»Du wirst es wissen, sobald du es siehst.«
Und das stimmte.
Das Observatorium war schon älter; ein kleiner, weißer Speicher mit einem kupfergrünen Dach, der eine Öffnung hatte, aus der man ein Teleskop ragen sehen konnte. Nun lächelte ich richtig, und Lucas sagte: »Es gab hier mal ein kleines College in der Stadt. Das ist zwar schon vor Jahrzehnten dichtgemacht worden, aber sie haben das Observatorium gerettet, damit die Schüler der Highschool hin und wieder herkommen können.«
»Und heute Nacht ist es geöffnet?«, fragte ich begeistert.
»Heute Nacht ist es unser privates Observatorium. Wir werden es selbst öffnen müssen.«
Es stellte sich heraus, dass Lucas damit meinte, er müsse das Schloss knacken. Und bei ihm sah das ganz leicht aus. Wir traten ein und befanden uns in einem runden Raum, nicht sonderlich breit, aber bestimmt zehn Meter hoch. Eine metallene Wendeltreppe führte zum Teleskop empor. Die offene Kuppel hatte zur Folge, dass es hier drinnen genauso kalt wie draußen war, aber das machte mir nichts aus. Lucas hielt meine Hand, während wir die Stufen emporstiegen, und unsere Schritte auf dem Metall hallten leise wider.
Von unten hatte das Teleskop gar nicht so riesig ausgesehen, aber als wir oben ankamen, pfiff Lucas beim Anblick der vielen Rädchen und Hebel.
»Und du weißt, wie man so ein Ding bedient?«
»Ich glaube, das kann ich
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