Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
fällt er auch nicht in den Zuständigkeitsbereich des Schwarzen Kreuzes.«
»Der Friedensrichter hört mich nicht an«, sagte Mrs. Bethany. »Er glaubt, dass mein Mann einer Banditenbande zum Opfer gefallen ist, und er sagt, ich sei eine törichte Frau, wenn ich an solch ehrenwerten Gentlemen zweifeln würde.« Diese Bezeichnung für die Mörder ihres Ehemannes spuckte sie förmlich aus, als fürchtete sie, von ihnen vergiftet zu werden. »Ich könnte sie ja selber töten, aber sie haben sich in die Karibik abgesetzt. Das Geld der Familie meines Mannes ist durch ihre Veruntreuung verloren. Gewährt mir wenigstens die Mittel, um dort hinzureisen und für Gerechtigkeit zu sorgen.«
Der Anführer des Schwarzen Kreuzes warf Mrs. Bethany einen mitleidigen Blick zu – den gleichen Blick, mit dem Kate Lucas bedacht hatte, als sie sich weigerte, ihm die Kaffeebüchse mit seinem Geld wieder auszuhändigen. »Unsere Gelder werden für unseren Kampf verwendet, und jeder Penny wird benötigt. Das wisst Ihr so gut wie wir. Eure Trauer hat Euch an den Rand der Hysterie gebracht.«
Mrs. Bethanys stolzes Gesicht zeigte keine Regung, aber ich sah etwas, das ich bei ihr niemals erwartet hätte: Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Doch ihre Stimme klang fest: »Das ist Eure Antwort, nach alldem, was ich für das Schwarze Kreuz geleistet habe?«
»Was für eine Antwort könnte es sonst geben?«
Sie machte einen Schritt zurück und legte ihren Kopf schräg – eine vertraute Haltung, wenn sie über etwas nachdachte und Verachtung ausdrücken wollte. Es ist, als würde sie ihr Gegenüber zum ersten Mal sehen , dachte ich.
Christopher sagte: »In diesem Moment verwandelte sich ihre Hingabe an das Schwarze Kreuz in Hass. So ist es immer: Das, was wir einst geliebt haben, können wir mit einer Leidenschaft hassen, die ebenso brennend sein kann, wie es das Feuer unserer Liebe gewesen ist.«
Der Raum verschwand und wurde wieder durch den gleichen Waldweg ersetzt, den wir anfangs gesehen hatten. Aber nun herrschte Winter. Die kahlen Äste an den Bäumen glitzerten vom Eis, und der Boden war mit dickem Schnee bedeckt. Mrs. Bethany, eingehüllt in einen schweren Umhang aus schwarzem Fell, ritt allein im Damensitz auf einem Pferd. Obwohl es schon dunkel wurde, suchten ihre Augen die länger werdenden Schatten ab. Jetzt in der Dämmerung leuchtete der Himmel in einem tiefen Kobaltblau. Plötzlich drückte Mrs. Bethany den Rücken noch ein bisschen weiter durch; sie hatte irgendetwas bemerkt.
Hinter einem der größeren Bäume trat ein Vampir hervor, der sich offenkundig unbehaglich fühlte. »Was auch immer Ihr für eine Falle gestellt habt, Jägerin, sie ist gefährlich für Euch. Eure Hilfe ist viel zu weit weg.«
»Ich habe keine Falle gestellt«, entgegnete Mrs. Bethany. Sie saß von ihrem Pferd ab und lief durch den Schnee zu dem Vampir, der sie angesprochen hatte. »Ich trage keine Waffe bei mir.«
»Dann gehe ich davon aus, dass Ihr gekommen seid, um zu sterben, Jägerin.«
Der Vampir wollte sie verspotten, aber Mrs. Bethany hob den Kopf. »Ja.«
Ihr Gegenüber schien ebenso geschockt wie ich. Zuerst sagte er nichts und näherte sich ihr nicht weiter, lief aber auch nicht davon.
Sie streckte ihre Hände in dunkelgrünen Handschuhen hoch in die Luft, um zu zeigen, dass sie tatsächlich keine Waffe bei sich hatte. Ein Windstoß fuhr ihr in die Haare und ließ Schnee von den Ästen und Zweigen über ihr herabrieseln, sodass ihr dunkles Haar und ihr Umhang weiß gesprenkelt wurden. »Ich bin bereits einmal gebissen worden. Wusstet Ihr das? Erzählt man sich die Geschichte?«
»Viele behaupten das von sich«, sagte der Vampir. »Viele lügen.«
»Manchmal spricht auch einer die Wahrheit«, entgegnete Mrs. Bethany. Mit raschem Griff zog sie den Ausschnitt ihres Umhangs ein Stückchen tiefer, sodass eine alte Narbe an ihrem Hals zum Vorschein kam. »Ich wurde damals gerettet. Aber ich habe immer gewusst, dass ich bereit bin. Wenn ein Vampir mich beißt und tötet, werde ich als Untote wiederauferstehen.«
Der ungläubige Vampir kam noch einen Schritt näher. »Das ist ein Trick.«
»Nein, das ist kein Trick.«
»Ihr hasst uns. Warum solltet Ihr eine von uns werden wollen?«
»Ich muss mich von meinen menschlichen Bindungen und Sorgen befreien.« Mrs. Bethanys Gesichtsausdruck wurde einen Moment lang unsicher. »Ich … ich muss in die Welt jenseits meiner sterblichen Begrenzungen reisen.«
Daraufhin brach der Vampir in
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