Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
Vom Netzwerk:
festzuklammern, an den Steinen in der Wand, an irgendetwas, aber ich schaffte es nicht, meine Hände fest werden zu lassen. Mein Armband war aus seinem Wandversteck entfernt und durch eine Falle aus grünstichigem Kupfer ersetzt worden. Meine Brosche aus Jetstein befand sich bei Lucas, der tief und fest – und weit weg – schlief. Ich versuchte, an ihn als meinen Anker zu denken, ebenso wie an irgendeinen anderen Ort, an den ich reisen konnte, aber es war zu spät. Die Falle war so nah, und ich hatte ihr praktisch meine Hände entgegengestreckt. Als ich nach und nach auf das schimmernde Loch zurutschte, versuchte ich ein letztes Mal, nach Lucas zu rufen, aber ich schaffte es nur noch, seinen Namen zu denken, bevor alles um mich herum schwarz wurde.
    Es war, als würde ich in heißem Teer versinken. Ich konnte keine Gestalt annehmen, konnte mich aber auch nicht entmaterialisieren. Ich hatte kein Gefühl für die Welt rings um mich herum; ich wusste nicht einmal, ob ich mich noch in der Welt der Sterblichen oder in einer Geisterwelt befand. Nachdem ich gestorben war, hatte ich einen Moment wie diesen gehabt, und ebenfalls, als ich zum ersten Mal in das Land der verlorenen Dinge reiste. Aber diese entsetzliche, bodenlose Leere hatte mich damals nur für eine Sekunde umfangen. Dieses Mal dehnte sie sich aus, immer weiter und weiter und weiter. Meine Seele drohte zu ersticken, was durch meine Angst noch verschlimmert wurde.
    Kein Wunder, dass sie verrückt werden , dachte ich und erinnerte mich an die vielen kreischenden Geister, die ich in den Fallen in Evernight gespürt hatte. Es wird auch mich jeden Moment wahnsinnig werden lassen, und ich stecke hier erst seit einigen Minuten fest – oder war schon mehr Zeit vergangen? Werde ich es je erfahren? Ist dies die Ewigkeit? Ist das der Tod jenseits des Todes?
    Machen Sie, dass es aufhört, hatte Samuel gesagt. Machen Sie, dass es aufhört. Der Geist in ihm, der, so wie ich, gefangen gewesen war, hatte seine Fähigkeit verloren, irgendeinen anderen Gedanken zu fassen. Und auch mir würde es so gehen. Schon spürte ich, wie ich auf den quälenden Fluchtinstinkt zusammenschrumpfte.
    Dann, in der gestaltlosen Leere, öffnete sich ein Rechteck aus weichem Licht. Ich schoss darauf zu, ohne mich darum zu sorgen, was das war oder was es bedeutete: Es war irgendetwas in einer Welt aus Nichts, und das war Grund genug.
    Mit einem Mal sah ich in dem rechteckigen Rahmen, viel größer als im wahren Leben, Mrs. Bethany.
    »Miss Olivier.« Sie lächelte mild wie immer, auch wenn das begierige Leuchten in ihren Augen nicht zu übersehen war. »Endlich. Ich warte schon so lange auf Sie.«

21

    Ich konnte mich nicht bewegen, und ich konnte somit nicht fliehen. Alles, was mir zu tun blieb, war, Mrs. Bethany anzustarren, die in diesem Moment im wahrsten Sinne des Wortes meine ganze Welt ausmachte.
    »Ich hatte geglaubt, Mr. Ross würde derjenige sein, der Sie zu mir bringt«, begann sie. »Aber er ist Ihnen mehr verfallen, als ich es erwartet hätte. Und dann habe ich endlich Ihr kleines Schmuckstück im Aktenraum gefunden – nach wochenlangem Suchen. Erst da habe ich begriffen, wie leicht es werden würde, Ihr Armband durch eine Falle zu ersetzen und Sie für immer für mich zu beanspruchen.«
    Sie hatte die ganze Zeit über gewusst, dass wir uns im Aktenraum trafen. Sie hatte die ganze Zeit über mich Bescheid gewusst. »Wie haben Sie herausbekommen, dass ich mich hier in der Schule aufhalte?«
    Mrs. Bethany legte den Kopf schräg, als ob ich ihr leidtäte. »Ihrem früheren Verhalten nach zu urteilen, lag die Vermutung nahe, dass man Sie dort finden würde, wo sich auch Mr. Ross aufhält.«
    In diesem Augenblick hasste ich sie so sehr. Fast war ich überrascht, dass diese Abscheu die Falle nicht in Stücke riss. Mein Zorn war heiß genug, um Metall zum Schmelzen zu bringen. »Ich bin der Grund dafür, dass Sie meinen Eltern hier überhaupt Stellen angeboten haben, nicht wahr? Sie haben uns von Beginn an für Ihre Zwecke ausgesucht.«
    »Ich habe Ihnen alle Chancen der Welt gegeben, wie Sie wissen.« Sie klang ruhig. Zufrieden. »Wenn es mir gefallen würde, die Hilflosen auszubeuten, dann hätte ich wohl kaum eine Schule wie Evernight gegründet. Außerdem mochte ich Ihre Eltern. Sie sind gute Lehrer. Es war eine Frage der Ehre, alle übrigen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ich habe die Zulassungspolitik geändert, um weitere Schüler hierherzuholen, die in Verbindung mit anderen

Weitere Kostenlose Bücher