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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte
Autoren: Claudia Gray
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hatten, war nun eine Quelle des Schmerzes für ihn.
    Vielleicht sah er das Bedauern in meinen Augen, denn er wandte seinen Kopf ab. »Wir sollten jetzt schlafen.« Er warf eine der Decken auf das andere Hotelbett.
    »Lucas – man muss dabei nicht immer Blut trinken. Vergiss das nicht.«
    »Ich weiß.« Er ließ sich schwer auf das zweite Bett sinken, als ob er seinen Körper nicht länger aufrecht halten konnte. »Wir … wir werden unseren Weg finden müssen.«
    Auch wenn ich mich gerne weiter mit ihm darüber unterhalten wollte, wusste ich, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war. Wortlos knipste ich die Lampe aus und schlüpfte wieder unter meine Decke. Mir war kalt in dem großen Bett, und ich fühlte mich allein. Nach einigen Sekunden kam es mir sinnlos vor, meine körperhafte Gestalt zu behalten, und so ließ ich das Armband vom Handgelenk rutschen und löste mich in der blauen, nebligen Leere auf.
    So viel also dazu, dass der Tod uns nichts hatte nehmen können.
    »Letzte Möglichkeit, noch einmal deine Meinung zu ändern«, sagte ich ein paar Tage später, als Lucas in aller Frühe seine wenigen Habseligkeiten für den ersten Schultag zusammenpackte. Einen Moment lang bereute ich den Scherz; es wäre ein Desaster, wenn Lucas es sich noch einmal anders überlegen würde, denn es gab keinen Plan B.
    Doch Lucas entschied sich dafür, auf den spaßhaften Ton einzugehen. »Ich hatte immer vor, eines Tages doch noch ein Diplom in den Händen zu halten. Ich schätze, nach dem Tod zählt als eines Tages , oder?« Er bemühte sich meinetwegen um ein Lächeln, allerdings ohne großen Erfolg. »Ist es seltsam für dich? Nicht mitzukommen, meine ich?«
    Zum ersten Mal dämmerte mir, dass ich als Schulabbrecherin der elften Klasse gestorben war. »Ja, irgendwie schon.«
    Die letzten Tage waren nicht leicht für uns gewesen. Wir hatten Lucas mit reichlich Blut versorgen müssen, und er hatte sich die meiste Zeit geweigert, den Raum zu verlassen. Ich hatte den Dienstplan der Zimmermädchen auswendig gelernt, um sicherzustellen, dass Lucas ihnen aus dem Weg gehen konnte. Noch immer war Lucas der festen Überzeugung, dass Evernight ein zu großes Risiko für mich darstellen würde, und ich war mir nicht sicher, ob ich selbst das anders sehen sollte. Aber welche Optionen blieben uns denn schon?
    Das erste Licht der Dämmerung fiel durch die Ränder rings um die Vorhänge des Hotelzimmers, als Lucas sich den Pullover der Schuluniform überzog – Balthazar hatte die Schulkleidung für sie beide online bestellt. Lucas war ein bisschen größer und sehr viel muskulöser geworden seit der Zeit, als er noch ein Schüler der Evernight-Akademie gewesen war, sodass der Pullover ein wenig stramm saß, allerdings auf eine sehr aufregende Weise. »Du siehst großartig aus«, sagte ich. »Erinnert mich an unser erstes Treffen.«
    »Damals habe ich versucht, dich vor den Vampiren zu beschützen.« Lucas machte eine Pause, dann trat er einen Schritt auf mich zu und legte mir seine Hand auf die Wange. »Du weißt: Der einzige Grund, warum ich das tue, ist die Hoffnung, dass ich zu dir zurückkommen kann, wenn ich mich genügend im Griff habe und weiß, wie ich mich benehmen muss. Das ist dir doch klar, oder?«
    »Ja.«
    »Und du wirst vorsichtig sein, nicht wahr? Du gehst doch in Evernight kein Risiko ein?«
    »Ich werde auf mich aufpassen.« Ich nahm seine Hand in meine und küsste seine Handfläche. Dann löste ich mein korallenbesetztes Silberarmband und wurde halb durchscheinend, als es in Lucas’ ausgestreckte Finger glitt. »Nimm das mit. Ich werde es mir dort wieder abholen.«
    »Du willst es nicht bei dir haben? Nur für alle Fälle? Du kannst es dir nicht leisten, dieses Ding zu verlieren, und deine Brosche ist bereits in meiner Tasche.«
    »Es ist nicht so, dass ich es selbst mitnehmen könnte«, stellte ich richtig. »Wenn ich meine Reise körperlos antrete, dann kann ich nichts Gegenständliches mitnehmen. Außerdem könnte es nirgendwo sicherer sein als bei dir.« Ich schloss seine Hände um das Armband.
    Er beugte sich vor, als ob er mich küssen wollte. Nun, wo ich keinen Körper mehr hatte, sondern nur noch ein weicher Schatten aus blauem Nebel in der vagen Form meiner Gestalt war, konnten sich unsere Lippen nicht mehr berühren. Doch ein Teil von Lucas drang durch mich hindurch, ein schwaches, kühles Kribbeln, das mir einen Schauer über den Rücken jagte, genau dort, wo sich unsere Münder zum Kuss begegnet
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