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Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte

Titel: Evernight Bd. 4 Gefährtin der Morgenröte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gray
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er seine Hand durch die Fensteröffnung, um den Griff zu drehen. Energisch rückte er eine Reihe von Usambaraveilchen weg, die Mrs. Bethany nach wie vor zu lieben schien. Er stützte seine Hände auf das Sims und schlüpfte geschmeidig ins Haus.
    Das war deutlich schneller und müheloser gewesen, als ich es gekonnt hätte. Um mich zu trösten, sagte ich mir, dass ihm schließlich auch seine vollen Vampirkräfte zu Hilfe gekommen waren. Vielleicht würde ich ihn später ein bisschen damit aufziehen, dass er offensichtlich von Natur aus über mehr kriminelle Energie verfügte als ich.
    Durch die Fensteröffnung hindurch konnte ich sehen, wie Lucas durchs Zimmer zu Mrs. Bethanys Schreibtisch ging. Es war am wahrscheinlichsten, dass sie ihre Aufzeichnungen über ihre Gespensterjagd dort aufbewahrte. Ich schwebte an der Mauer entlang, denn ich wollte unbedingt ein Auge auf Lucas haben und gleichzeitig nach Mrs. Bethany Ausschau halten. Aber mit einem Mal spürte ich es wieder. Dieses Ziehen.
    Eine Falle . Ehe ich in Panik geraten konnte, merkte ich, dass es anders war als in der Bibliothek. Vielleicht aber war es auch die gleiche Art von Falle, doch da war eine Barriere, die mich davor bewahrte, eingesogen zu werden – möglicherweise das geisterfeste Dach oder die geschützten Mauern. Offenbar baute Mrs. Bethany die Fallen in ihrem Haus zusammen, ehe sie sie in der Akademie aufstellte.
    Auch wenn ich nicht eingefangen wurde, war die Kraft der Falle doch überwältigend. Ich konnte das seltsame Zerren an mir spüren und wurde plötzlich langsam, schwerfällig und unaufmerksam. Es war, als hätte ich so hohes Fieber, dass nichts um mich herum mehr einen Sinn ergab. Zwar konnte ich mich noch bewegen, aber es schien mir, als ob zu viel Anstrengung dafür notwendig wäre.
    Als ich kurz davor war, überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können, sah ich, wie Lucas mit der Hand über einen Gegenstand auf Mrs. Bethany Schreibtisch strich. Es war ein weiteres der muschelförmigen Kästchen wie jenes aus der Bücherei. Vielleicht war es sogar dasselbe. Lucas hatte mir erzählt, dass die Wand in der Bibliothek umgehend wieder in Ordnung gebracht worden war, ohne dass jemand Fragen gestellt hatte. Rasch schloss Lucas die kleine Kiste, und das schwindelerregende Ziehen der Falle setzte aus. Trotzdem fühlte ich mich entsetzlich: Allein in der Nähe einer scharf gemachten Falle zu sein – das war genug, um mir schwer zu schaffen zu machen.
    Einen Moment lang geriet ich in Versuchung zu verblassen, um mich eine Zeit lang auszuruhen, aber ich merkte, dass es eine Weile dauern könnte, bis ich wieder munter werden würde. Mühsam nahm ich all meinen Willen zusammen und riss mich von der Vorstellung los. Ich kehrte ins Hier und Jetzt zurück, zu Lucas’ Suche nach …
    Ich hatte mich gerade rechtzeitig gesammelt, um feststellen zu müssen, dass Mrs. Bethany zur Tür des Kutschhauses schritt.
    Ich warf mich mit solcher Wucht gegen ein Fenster des Hauses, dass der Rahmen schepperte. Lucas hob sofort alarmiert den Blick, aber es war zu spät. Mrs. Bethany betrat ihr Heim und ihr Arbeitszimmer, ehe Lucas mehr tun konnte, als sich aufzurichten.
    Sie blieb in der Tür stehen. Einen Moment lang starrten sich die beiden schweigend durch den Raum hinweg an. Das Entsetzen erfüllte mich sprichwörtlich bis ins Mark mit einer Eiseskälte, und mir kam es vor, als bestünde ich aus reinem Schnee. Lucas sah sterbenselend aus.
    Sie wird ihn angreifen oder ihn zumindest aus der Evernight-Akademie hinauswerfen. Ich hätte ihn inständiger bitten sollen, das nicht zu tun. Ich hätte ihn das nicht tun lassen dürfen.
    Ich war drauf und dran, in die Schule zurückzukehren und zu versuchen, Hilfe zu holen, als Mrs. Bethany mit ruhiger Stimme begann: »Mr. Ross, es wäre sehr viel einfacher, wenn Sie mich einfach fragen würden, was Sie so dringend wissen wollen.«
    Lucas entspannte sich nicht und rührte sich nicht. Seine Augen blieben unverwandt auf Mrs. Bethany gerichtet, und sein ganzer Körper war bereit, sich zu verteidigen oder anzugreifen. »Ich bezweifle, dass Sie mir antworten würden.«
    »Sie zweifeln.« Mrs. Bethany legte ihre Tasche ab und setzte sich auf einen der Holzstühle am anderen Ende des Zimmers. Neben ihr stand ein weiterer leerer Stuhl wie eine stumme Einladung an Lucas. »Das Schwarze Kreuz bringt seinen Jägern bei, alles anzuzweifeln, was neu für sie ist, und nur an ihrer eigenen Vorstellung von Pflichterfüllung

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