Everybodys Darling, Everybodys Depp
allem, da wir Menschen subjektiv den Eindruck haben, diese negativen Emotionen auch noch viel häufiger zu verspüren als die positiven.
Andererseits wäre ein rein stoisches Leben ohne angenehme Empfindungen auch ganz schön leer: Freude, Liebe, Ekstase, Lebendigkeit, Spannung, Hoffnung, Stolz, Neugier, Rührung, Verliebtsein, Lust, Glück, Geborgenheit, Seligkeit, Trost, Zuversicht oder Selbstvertrauen. Armer Mr. Spock.
Die meisten Dinge im Leben tun wir nur der positiven Gefühle wegen. Denn selbst die Erledigung von unangenehmen Dingen gibt uns ein gutes Gefühl: Wir tun sie aus Pflichterfüllung oder logischer Erkenntnis und sind stolz auf unsere Vernunft oder Zuverlässigkeit. Zumindest vermeiden wir so ein schlechtes Gefühl. Fühlen Sie sich nicht auch gut und edel, wenn Sie Ihren Müll aufwändig in kleine Portionen sortiert und in verschiedenen Behältnissen entsorgt haben?
Sollte Ihnen je ein Guru versprechen, Ihnen ein Leben ohne negative Gefühle zu ermöglichen, investieren Sie Ihr Geld nicht in diese Utopie, sondern lieber in ein paar schöne Schuhe. Abgesehen von der schieren Unmöglichkeit des Vorhabens wäre es weder wünschenswert noch sinnvoll. Gedanken und Gefühle, Kopf und Bauch sind zwei untrennbare Seiten einer Medaille namens Leben. Unsere Gefühle werden von Gedanken begleitet, und jeder Gedanke ist mit einem Gefühl gekoppelt – wenn auch manchmal nur mit einem schwach ausgeprägten.
|61| Wofür brauchen wir negative Gefühle? Sie geben uns wichtige Informationen, Hinweise und Rückmeldungen. Sie stellen uns Energie zum Handeln zur Verfügung. Sie zwingen uns, eine Auszeit zu nehmen – beispielsweise um ein erschütterndes Erlebnis zu verarbeiten.
Angst, Furcht, Ekel, Schmerz oder Misstrauen warnen uns vor gefährlichen oder ungesunden Dingen.
Trauer und Depression drosseln das Lebenstempo und verschaffen uns die Zeit, uns ausreichend mit dem auslösenden Erlebnis auseinander zu setzen.
Ärger, Wut und Aggression setzen Veränderungsenergie frei und schützen uns vor dem Verharren in einer für uns unguten Situation
Scham, Reue und Schuld können uns helfen, unsere Handlungen und Reaktionen zu überprüfen und eventuell eine Korrektur daran vorzunehmen.
Negative Gefühle sind also absolut notwendig. Sie haben eine Schutzfunktion und sind Gefahrendetektoren. Daraus hat man übrigens die Vermutung abgeleitet, dass sie tatsächlich häufiger auftreten als ihre angenehmen Brüder und Schwestern. Die Welt war schon sehr früh jenseits von Eden ein unwirtlicher Ort, an dem gefährliche Situationen und Elemente überwogen. Wir Menschen mussten weit häufiger mit negativen Emotionen gewarnt werden, als wir es uns leisten konnten, in schönen Gefühlen zu schwelgen. Um noch einmal den Säbelzahntiger anzuführen: Die Gefahr, die von ihm ausging, trat wohl häufiger auf und war wohl bedrohlicher als die von knackigen jungen Männern aus der Nachbarhöhle. Obwohl da ja die Bedrohlichkeit eine Frage des Standpunktes ist ...
Glücklicherweise bedeuten die Notwendigkeit und Nützlichkeit negativer Gefühle nicht, dass wir sie so oft und so intensiv wie möglich erleben müssen und diesem Zustand hilflos ausgeliefert |62| sind. Ihre wichtige Funktion können sie durchaus auch dann erfüllen, wenn sie uns nicht immer mit der Macht einer Naturgewalt in ihren Klauen halten. Die These, dass man negative Empfindungen nur ausleben müsse, um sie los zu werden, ist nach den neuesten Erkenntnissen von Psychologen und Hirnforschern wohl nicht mehr ganz haltbar. Die körpereigenen Mechanismen verstärken nämlich zum Beispiel Ihren Ärger nur. Wenn Sie sich ihm voll hingeben, bekommen Sie zwar einen publikumswirksamen Tobsuchtsanfall hin, es wird Ihnen deshalb aber keinen Deut besser gehen. Auch der wohlgemeinte Rat, man solle sich einfach mal richtig ausweinen, führt leider nur zu noch mehr Gram. Man steigert sich erst so richtig in Trauer und Verzweiflung hinein. Davon abgesehen, stehen verheulte Augen und ein aufgequollenes Gesicht den meisten Frauen gar nicht gut.
Wie wir schon bei den grundlegenden Stressmechanismen gesehen haben, hat die Entwicklung des Menschen insofern nicht ganz ausgewogen Schritt gehalten, als viele Auslöser dieser negativen Gefühle unsinnig oder überflüssig geworden sind. Oder sie wurden durch falsch gelernte, sinnlose ersetzt. Dennoch wird der gleiche Mechanismus aktiviert. Es ist sehr gut und nützlich, wenn Sie bei dem Ausbruch eines Feuers heftige Angst verspüren,
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