Eviana - Ein leiser Zug von Magie
er gegen jeden vorgehen kann, wenn er nur möchte. Deswegen haben die Bewohner dieser Stadt alle Angst vor ihm. Am besten wäre es, wir würden sofort von hier verschwinden. Komm, wir sprechen mit Mister Roberts.”
Der Bürgermeister schenkte ein weiteres Glas des besten Weines nach. Großinquisitor Isidor der III. nahm einen tiefen Schluck und kuschelte sich behaglich in das Lammfell des großen Sessels neben dem Kamin in der Halle des Bürgermeisters. Auf zwei Schemeln neben ihm saßen seine beiden Getreuen, Pater Aloisius und Pater Ekkehard. Der Bürgermeister hatte zwei Ratsherren überzeugen können, ihm Gesellschaft zu leisten, den Vorsteher der Webergilde, Meister Weber und den Kommandanten der Stadtwache, Meister Schwert. Auch seine Tochter und deren beste Freundin leisteten den Männern Gesellschaft. Es hieß, dass Frauengesellschaft Isidor milde stimmte und der Bürgermeister ließ nichts unversucht, diesen unangenehmen Gast bei Laune zu halten und möglichst schnell wieder loszuwerden. Auch er war voller Angst. Zu viele Geschichten kursierten über die willkürliche Ungerechtigkeit, die von Isidor dem Dritten ausging.
“Ein vorzüglicher Tropfen. Und ihr keltert den selbst?” Isidor lehrte das Glas mit dem zweiten Schluck und der Bürgermeister schenkte sogleich nach.
“Ja, Herr. Unser Klima ist so sonnig, das die Reben besonders gut gedeihen. Und dicke, süße Trauben sind gut für schweren Wein.”
“Wohl wahr, wohl wahr. Was meint ihr, ob nicht die Kirche auch einen solchen Weinberg ihr eigen nennen sollte? Zum Lobe des Herrn?” Dem Bürgermeister wurde mulmig. Vielleicht wäre ein Themenwechsel hilfreich.
“Kind, was sagtest du noch, wo ward ihr heute Abend?”
“Ja, Vater, das wollten wir Herrn Isidor unbedingt erzählen.” Doch ihre noch eifrig ere Freundin fiel ihr ins Wort.
“Zauberer. In unserer Stadt. Gotteslästerer.” Isidor lächelte müde. Gaukler langweilten ihn. Diese Hungerleider mit ihren armseligen Kunststückchen. Weder waren sie besonders schlechte Menschen noch war bei ihnen etwas zu holen. Er hielt sich lieber an wohlhabende Ketzer.
“Ja mein Kind, was haben sie denn angerichtet?”
“Sie haben Karten vorhergesagt und ein Goldstück verschwinden lassen.” Isidor gähnte.
“Und einen Jungen verschwinden und auch wieder auftauchen lassen.” Isidor räkelte sich in dem Sessel, gähnte noch herzhafter und nippte am nächsten Kelch Wein.
“Und sie haben Elionora einen Ziehgenbart angehext.” Die Augen Isidors traten aus ihren Höhlen. Gerade hatte er zu einem großen Schluck angesetzt, an dem er sich nun verschluckt hatte. Er musste husten, Wein spritzte aus seinem Mund. Er röchelte.
“Sie haben was?” Auch der Bürgermeister wurde nun hellhörig.
“Meine Tochter. Ist der Bart denn wieder ganz weg?” Elionore senkte den Blick verlegen zu Boden. Sie war ein sehr eitles Mädchen und es war ihr peinlich, dass sie einen Ziegenbart gehabt hatte.
“Ja, Herr Vater.” Die Pater waren nun in Aufruhr.
“Hochwürden, das ist Hexerei. Das ist unerhört.”
“Dem müssen wir nachgehen, Hochwürden.” Isidor zuckte mit der Nase. Er roch Magie. Das musste er sich in der Tat genauer anschauen.
“Beateta, so heißt du doch?” Dem hochnäsigen Mädchen glühten die Wangen vor Eifer.
“Ja, Herr.”
“Sag, wie lange bleiben diese Gaukler denn noch?”
“Das weiß ich nicht, Herr. Aber morgen Abend findet jedenfalls noch eine Aufführung statt.” Isidor lächelte. Der Bürgermeister sagte nichts. Es erschien ihm nicht angezeigt zu erzählen, dass er mit den fahrenden Leuten eine Abmachung geschlossen hatte.
Isidor zuckte wieder mit der Nase.
“Dann lasst uns doch morgen Abend einen netten kleinen Ausflug machen und diese Vorführung besuchen.” Alle nickten ergeben.
“Ach, und eins noch, Herr Bürgermeister.” Der Bürgermeister rutschte nervös auf seinem Stuhl herum.
“Ja, Hochwürden?”
“Sorgt dafür, dass die Stadtwache den Platz abriegelt, sobald die Vorstellung angefangen hat. Ich hab schon so eine Idee, wie die Sache ausgehen könnte.” Er lächelte hämisch und das Zucken seiner Nase wurde dabei noch stärker.
Der nächste Morgen begann mit einem warmen Südwind. Nach den ersten kalten Wintertagen fühlte es sich an, als sei der Frühling bereits gekommen. Das schöne Wetter wollte so gar nicht zur Gemütslage der Gaukler passen. Die Kunde, dass sie in der gleichen Stadt lagerten wie der Großinquisitor, hatte sich wie ein Lauffeuer
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