Eviana - Ein leiser Zug von Magie
verbreitet, doch der Vertrag mit dem Bürgermeister galt und Mister Roberts schätzte die Gefahr als nicht so groß ein, dass ein überhasteter Aufbruch gerechtfertigt wäre.
“Ganz im Gegenteil. Wenn wir uns jetzt einfach so aus dem Staub machen, wecken wir erst Recht das Interesse der Inquisition. Wir müssen so unauffällig wie möglich bleiben, dann passiert uns nichts.” Diese Logik hatte sie überzeugt, aber es blieb ein ungutes Gefühl.
Doch zunächst blieb der Tag ohne besondere Ereignisse. Auch die Show begann wie am Vortag. Die Stimmung der Zuschauer war angespannt, aber die Kunde vom eindrucksvollen Ziegenbartzauber hatte sich verbreitet und die meisten Zuschauer warteten gespannt auf den Höhepunkt der Vorstellung. Es waren auch mehr Gäste als am Vortag. Gandalf fiel insbesondere eine Reihe schwarz vermummter Gestalten in der letzten Reihe auf, die er vorher noch nicht gesehen hatte. Routiniert spulte Gandalf sein Programm herunter. Er ließ Cedric verschwinden und wieder erscheinen und das erwartungsfrohe Publikum spendete höflich Applaus und wartete auf den Höhepunkt der Vorstellung. Endlich war es soweit. Der Meister ließ seine suchenden Augen über das Publikum streifen. Ah, da waren ja wieder die zwei Mädchen vom Vortag. Ihre vornehme Kleidung verriet, dass sie den besseren Kreisen der Gesellschaft angehörten. Es war immer unterhaltsamer, den Schabernack mit stadtweit bekannten Besuchern zu treiben. Das vergrößerte die Wirkung des Zaubers. Nachdem es mit dem einen Mädchen so gut geklappt hatte, bat Gandalf nun das andere nach vorne. Es wirkte sehr hochnäsig und zierte sich zunächst. Doch sein Nachbar gab ihm einen Stups und nicht ganz freiwillig stand sie plötzlich neben Meister Gandalf. Das Publikum johlte. Es hatte seine Schüchternheit vom Vortag offensichtlich abgelegt. Es schien man kannte sie und gönnte ihr den Ziegenbart. Das Mädchen aber machte ein angespanntes Gesicht.
“Beateta, zier dich nicht so, du verhältst dich doch sonst auch wie eine Zicke.” Dem frechen Zwischenruf folgte dröhnendes Gelächter. Die Spannung, die seit Tagen über der Stadt lag, hatte für diesen Moment ein Ventil gefunden. Gandalf begann nun seinen Zauber und als er mit lauten Worten den Zauberstab auf Beateta richtete und ihr wenig später der Bart wuchs, folgte auf Stille und Staunen ein Jubel, der ein vielfaches lauter war als der am Vortag. Doch als der Zauberer wieder zur Tat schreiten wollte, um Beateta von ihrem ungewollten Körperschmuck zu erlösen, erhob sich eine der dunkel gekleideten Gestalten und schritt aufrecht in die Mitte des Platzes. Neben dem Zauberer blieb er stehen und sagte mit dröhnender Stimme.
“Haltet ein. Ihr seid ein Zauberer und ich klage euch der Gotteslästerung an.” Gandalf hatte die Aktion mit Erstaunen verfolgt. Die Bühne war sein Reich, so leicht ließ er sich nicht einschüchtern.
“Wer seid ihr Herr, dass ihr es wagt, meine Vorstellung zu stören?”, sagte er im Habitus des Zauberers. Isidor legte den schwarzen Mantel ab und erstrahlte im scharlachroten Mantel des Inquisitors.
“Ich bin Isidor der III., Großinquisitor von Alusia.” Augenblicklich wurde es totenstill im Rund. Es lag nun eine Spannung über dem Platz, die mit Händen zu greifen war. Einige Zuschauer wollten sich aus dem Staube machen, mussten aber feststellen, dass die Straßen, die vom Platz wegführten, verstellt waren. Gandalf aber gab nicht klein bei, obwohl ihm Mister Roberts aufgeregt Zeichen gab.
“Mein lieber Isidor. Wir sind doch nur Gaukler. Das war doch nur ein klitzekleiner Zauber. Und was unterscheidet denn einen kleinen Zauber zum Beispiel von den Wundern, die unser Herr Jesus gemacht hat? Ist denn über das Wasser gehen nicht auch ein Zauber? Kleine Veränderungen der Realität, ermöglicht durch göttliche Energie?” Bei der Erwähnung des Namens des Herrn hatte lautes Gemurmel angehoben. Als Gandalf Zauberei und Wunder in einen Topf warf, war ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Hatten seine Zuschauer ihn zunächst wohlwollend unterstützt, hatte Gandalf es innerhalb weniger Augenblicke geschafft, die Bevölkerung gegen sich aufzubringen.
“Ketzer”
“Gotteslästerer”, hallte es ihm nun vielstimmig entgegen. Mister Roberts hielt sein Gesicht in den Händen verborgen. Isidor lächelte. Das lief ja viel besser als gedacht. Er hatte eine Idee.
“Da hört ihr selbst, welch gottlosen Geistes dieser Zauberer ist. Er wagt es, sich mit dem Sohn Gottes auf
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