Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
zusammen. Und in Anbetracht dessen war sie auch gern’ bereit, den morgendlichen Andrang in ihrer Küche hinzunehmen. Hungrig schnappte sie sich einen Brotfladen, auf den es allerdings auch Engus abgesehen hatte. Da sie schneller gewesen war, machte er ein mürrisches Gesicht und rutschte verstimmt auf dem Stapel alter Zeitschriften herum, der ihm als Sitzerhöhung diente.
„Woher stammt denn das ganze Zeug?“, fragte Evianna, biss von dem Brotstückchen ab und ließ sich auf den letzten freien Stuhl fallen. Jedenfalls nicht aus ihrem Kühlschrank, soviel war klar, denn um dessen Inhalt kümmerte sich Engus viel zu oft und zu gern’.
„Da wir uns in letzter Zeit viel zu selten sehen, dachte ich, ich überrasche dich damit“, strahlte Siri.
„Überraschung gelungen“, schmatzte Evianna, froh darüber, dass Siri diesmal auf die übliche Kritik an ihrer Berufswahl verzichtete. Denn Siri war der Meinung, dass der Sicherheitsdienst nichts für eine Frau war. Worin ihr die Einstellungsquoten des SET und der BVb recht gaben, denn außer Evianna arbeiteten dort nur sehr wenige Frauen und noch weniger Menschen. Die Sterberate von Menschen in diesem Beruf war einfach zu hoch und von den wenigen Exemplaren, die sich für den Beruf des Adiutors interessierten, schafften letztendlich nur zehn Prozent die
Aufnahmeprüfung. Trotzdem war Evianna mit ihrer Berufswahl sehr zufrieden. Sie hätte auch nicht gewusst, was sie sonst hätte werden sollen, denn es schien als läge ihr die Bekämpfung des Bösen im Blut.
Evianna legte das Brot vor sich auf den Teller, griff nach dem daneben liegenden Messer und angelte nach einem Glas Erdbeer-Marmelade, das Paddy zu ihr `rüberschob.
Nach dem Grund für Paddys Anwesenheit, musste sie nicht extra fragen. Da Siri der Meinung war, dass ihr explosiver Nachbar für seine Größe viel zu dünn war – was nebenbei bemerkt sogar stimmte– und Siri außerdem dazu neigte, jeden und alles, egal ob Mensch, Tier oder Mischwesen, mit Nahrungsmitteln voll zu stopfen, lag der Grund für sein Hiersein auf der Hand: erzwungene Nahrungsaufnahme. Jedoch wirkte Paddys bedächtiges Kauen nicht, als wäre ihm das unangenehm. Aus den Augenwinkeln nahm Evianna die kleine Hand des Puks war, die sich ihrem Brotfladen über den Tisch hinweg näherte. Ohne hinzusehen rammte sie das Messer zwischen seine ausgestreckten Finger. Zitternd blieb es in der hölzernen Tischplatte stecken. Blitzartig zog der kleine Kerl seine Hand zurück. Um die Situation etwas zu entschärfen nahm Siri einen weiteren Brotfladen aus dem prall gefüllten Korb, schnitt ihn aufund legte ihn vor Engus auf den Teller. „Ich will aber den da“, nörgelte der Puk und zeigte auf Eviannas Teller.
„Nicht in diesem Leben.“ Evianna warf ihm einen bösen Blick zu.
Doch als Evianna die Hand ausstreckte, um die andere Hälfte ihres Brotes mit einer Scheibe Wurst zu belegen, war der Puk schneller. Blitzschnell griff er nach dem Wurststück und leckte es hingebungsvoll ab, bevor er es Evianna anbot. Während Siri und Paddy angewidert das Gesicht verzogen, erinnerte Evianna sein scheußliches Benehmen an Keir. Sie sah auf die Uhr. Es würde noch gut zwei Stunden dauern, bis er sie zum Dienstbeginn abholen würde. Sie hatte also noch jede Menge Zeit. Diese Annahme stellte sich jedoch nur wenig später als Irrtum heraus, denn gerade als Evianna ihr Erdbeer-Marmeladen-Brot verspeist hatte, klopfte es an der Tür. Der Puk sprang auf und hopste von innen an der Tür auf und ab. Das war seine Art durch den für ihn viel zu weit oben angebrachten Spion zu gucken.„Der Werwolf ist da“, rief er und riss im selben Moment die Tür auf. Jetzt schon? Aber es war doch noch viel zu früh. Ein Blick in Keirs Gesicht verriet Evianna jedoch, dass etwas passiert sein musste, nicht nur, weil seine Schläfe eine große Platzwunde zierte. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln bedeutete sie ihm vorerst den Mund zu halten, denn falls es etwas mit den verschwundenen Menschen zu tun hatte, wollte sie Siri und Paddy damit nicht unnötig beunruhigen. „Hallo zusammen“, begrüßte Keir sie alle und stellte sich vor. Engus schnupperte ungeniert an ihm.
„Setz dich und iss mit uns“, bot Evianna an und kickte den Zeitschriftenstapel von Engus’ Stuhl.
„Hey, und was ist mit mir?“, kreischte der Puk aufgebracht. Keir ignorierte ihn und ließ sich auf dem ihm angebotenen Platz nieder.
„Ich war noch nicht fertig“, zeterte Engus aufgebracht und zerrte dabei
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