Evianna Ebel und die Tafeln des Schicksals
Evianna und streckte sich auf der überaus bequemen Rückbank des Mercedes.
„Wie denkst du dir das eigentlich?“, fragte Reuben, als der schwarze Mercedes vor dem NOX AETERNA, dem angesagtesten Tanzschuppen der Stadt,hielt. „Willst du einfach da ’reinspazieren und fragen ob Gabrielda ist?“
Aus den getönten Fenstern warf Evianna einen Blick auf die neonbeleuchtete Vorderfront. Das Gebäude war in tadellosem Zustand. Es sah geradezu sauber und einladend aus, bis auf die sechs grimmig aussehenden Kerle, die sich am Eingang postiert hatten und nur einen Bruchteil der davor wartenden Menge einließ. „Hast du einen besseren Vorschlag?“, fragte Evianna.
Genervt betrachtete Mehdi die sechs kräftigen Türsteher. Dann schnüffelte er in Eviannas Richtung. „Scheiße, Mann. Ich hab’ den Eindruck, die ganze Karre stinkt nach Hund“, schimpfte er.
Evianna wertete das als ein Nein und stieg aus. Reuben und Mehdi folgten ihr. Die Anspannung derbeiden war dabei kaum zu übersehen. „Da wir gerade von Geruch sprechen: ich kann eure Angst riechen, ihr Weicheier“, erwiderte Evianna unbekümmert und marschierte auf den größten der Türsteher zu. Er war so breit wie ein Kleiderschrank und gut einen Kopf größer als sie, so dass sie ihren Dienstausweis hochhalten musste. Die Augen, die ihren Namen und Dienstgrad erfassten, waren das Einzige was sich an dem Typen bewegte. „Ich möchte zu Gabriel. Ist er da?“, fragte sie. Von drinnen dröhnten die Bässe durch die geschlossene Eingangstür bis auf die Straße. Der Vampir zeigte keinerlei Regung. Trotzdem sah Evianna ihn unverwandt an. „Ich glaube, dieser hier ist kaputt, Jungs“, sagte sie zu ihren Begleitern, womit der reglose Vampir gemeint war. Sie hob die Schultern.„Nehmen wir einfach den nächsten.“ Doch als sie sich an dem Kleiderschrank vorbeischieben wollte, erwachte der urplötzlich zum Leben. Er und ein weiterer ebenso breiter Kerl versperrten ihr den Weg. „Wenn ich wollte, könnte ich dich mit einer Hand zerquetschen“, knurrte der erste Vampir und legte ihr eine Hand an den Hals, ohne jedoch zuzudrücken.
„Ja, und wenn ich will, kann ich die Hymne der Vereinigten Staaten von Europa rülpsen“, hielt Evianna dagegen und machte sich los.
Mehdi und Reuben waren von Natur aus blass, aber dieser Spruch trieb ihnen auch das letzte bisschen Farbe aus dem Gesicht.
„Also, ist er da, oder was?“, verlangte Evianna zu wissen. Verunsichert sahen sich die Vampire an. „Sagt ihm, ich muss ihn sprechen. Es geht um die verschwundenen Menschen.“ Als sich keiner der Türsteher rührte, wurde Evianna ungeduldig. Sie riss die ZiG4 aus dem Holster und zielte damit auf die Stirn des Vampirs, der ihr den Weg versperrte. Die wartende Menge ging mit einem Aufschrei in Deckung, ebenso Mehdi und Reuben, während die übrigen Vampire einen Schritt auf sie zukamen. Es war offensichtlich, dass sie verunsichert waren und nicht mit einem Angriff gerechnet hatten.
„Einen Schritt näher und dieser Blutsauger hat ein Loch im Kopf.“ Das würde den Typen vielleicht nicht töten, aber es wäre überaus schmerzhaft. Evianna war die Ruhe selbst. Lächelnd verfolgte sie den Weg der kleinen Schweißperle, die an der Schläfe des Typs auf den sie zielte herab rann.
„Und jetzt macht Platz für mich und meine Kollegen“, sagte sie gerade so laut, dass man es trotz der dröhnenden Bässe verstand. Reuben und Mehdi hoben ungläubig die Köpfe, so als hofften sie, dass alles nur ein schlechter Scherz sei. Niemand verschaffte sich unter diesen Umständen Zutritt zu Gabriels Laden– auch nicht die BVb. Es waren schon Leute für weitaus weniger gestorben.
Die Türsteher wichen zur Seite und ließen sie durch. „Was ist jetzt?“, fragte Evianna ungeduldig, als sie merkte, dass Mehdi und Reuben noch immer auf dem Boden lagen und ihr nicht folgten. Die beiden rappelten sich mühsam hoch.
Evianna steckte die Waffe weg und lief voraus durch den langen Eingangsbereich. Seltsamerweise folgte ihnen niemand, so oft sich Reuben und Mehdi auch umsahen. Trotzdem war Evianna sicher, dass Gabriel bereits wusste, dass sie auf dem Weg zu ihm war und dass er früher oder später jemanden schickte, um sie in Empfang zu nehmen. Und richtig: nachdem sie den Eingangsbereich hinter sich gelassen hatten und eben dabei waren, sich einen Weg über die überfüllte Tanzfläche zu bahnen, umringte sie plötzlich eine vierköpfige Vampireskorte und drängte die drei ungebetenen Besucher in den
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