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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Lösung‹, und was ist das überhaupt für ein Wort? Sie wollten nur Zeit gewinnen, um danach umso härter zuzuschlagen.«
    »Ja! Und die Frage ist, was sie jetzt mit dir vorhaben.«
    Genau das war die Frage.
    Wieder schwirrten in der Schule die Gerüchte, so, wie im Vorjahr vor der Klosternacht. Natürlich würden die Ratis etwas unternehmen, um Erik endlich zur Raison zu bringen, aber niemand hatte irgendeine Ahnung davon, was sie vorhatten. Sicher war nur, das bald etwas passieren musste.
    An einem Samstag hatte sich die Kälte wieder eingestellt und im Laufe des Nachmittags wuchsen am Hauptgebäude Eiszapfen. Erik war in den siebten Band von »Tausendundeine Nacht« vertieft, als die Tür zum Arrest geöffnet wurde. Draußen standen zwei Ratis aus der vierten Gymnasialklasse. Sie brachten einen Jungen aus der Einsfünf, der wegen Frechheit zu einem Samstagsonntag verdonnert worden war. Und sie erklärten, dass der Junge erkältet sei und deshalb in den Arrest gesteckt werden solle, während Erik seine Strafarbeit zu übernehmen habe. Dagegen ließ sich nicht viel sagen, fand Erik.
    Die Ratis führten ihn zu der kleinen Kiesfläche vor dem Anbau, der als zusätzlicher Unterrichtsraum verwendet wurde. Auf dem Boden lagen vier längliche Stemmeisen aus Stahl, mit denen früher wohl einmal Granit gebrochen worden war. Die Eisen waren schmal und einen guten halben Meter lang. Daneben lag ein großer Hammer.
    Die Ratis bezeichneten vier Punkte, die zusammen ungefähr ein Quadrat markierten. Hier sollten die vier Eisen durch Eis und Schnee in den gefrorenen Boden geschlagen werden, bis sie felsenfest saßen, klar? Wenn Erik mit dieser Arbeit fertig sei, könne er den Hammer in den Werkzeugschuppen bringen und nach Hause gehen. Mit diesen Worten verschwanden die Ratis.
    Erik blieb eine Weile stehen und betrachtete die Eisen. Sie sollten ein Viereck bilden, bei dem die Eisen jeweils um die zwei Meter voneinander entfernt wären. Das kam ihm merkwürdig vor, fast wie die Aufgabe, im Wald sinnlose Gruben auszuheben. Aber sie hatten auch gesagt, er könne danach nach Hause gehen, und mehr als eine halbe Stunde würde diese Arbeit kaum dauern, danach hätte er zum ersten Mal in seiner Zeit in Stjärnsberg einen Samstagnachmittag frei. Er wiegte den Hammer in der Hand. Was mochten sie mit den Eisenpflöcken vorhaben? Warum wollten sie ihm danach freigeben? Was glaubten sie, was er machen würde, wenn er freihätte, irgendwo hingehen vielleicht? Hatten sie auf dem Weg zum Kiosk einen Hinterhalt gelegt oder was?
    Er brauchte weniger als eine halbe Stunde, um die Eisen in den Boden zu treiben, dann saßen sie wirklich felsenfest. Er brachte den Hammer in den Schuppen, dann ging er auf sein Zimmer. Pierre lag wie üblich auf dem Bett und las.
    Er fand die Sache ebenfalls seltsam und bedrohlich. Aber auch er hatte keine Vorstellung davon, was die Ratis vorhaben könnten.
    »Wir müssen abwarten, etwas anderes bleibt uns nicht übrig«, sagte Erik und schlug wieder den siebten Band von »Tausendundeine Nacht« auf.
    Nach einer Weile schlug er das Buch wieder zu und fragte Pierre, wieso Sindbad der Seefahrer zum Teil dieselben Abenteuer erlebte wie Odysseus. Wer hatte da von wem abgeschrieben?
    Pierre vertrat die Ansicht, die Version in »Tausendundeiner Nacht« müsse jünger sein als die Homers. Er führte eine Reihe von Beweisen für diese Ansicht an.
    Lustig war auch, dass die Geschichte von Polyphem zu denen gehörte, die in den beiden Büchern fast identisch waren.
    Beim Essen war alles wie immer. Erik war deshalb sehr überrascht, als er aus dem Speisesaal kam und dort vom gesamten Rat erwartet wurde. Okay, dachte Erik, früher oder später musste das ja passieren. Jetzt ist ein neuer Goldzahn fällig, aber gewinnen werden sie trotzdem nicht.
    Die Ratis stürzten sich von allen Seiten auf ihn, packten ihn an Armen und Beinen und schleppten ihn dann unter Jubel und Geschrei zu den vier Eisenpflöcken vor dem Anbau. Dort drückten sie ihn auf den Boden - Widerstand war hier zwecklos -, banden ihm Lederriemen um Handgelenke und Fußknöchel, fesselten ihn an die Eisenpflöcke und zogen die Riemen so fest, dass er am Ende wie ein X auf dem Boden lag. Die ganze Schule versammelte sich erwartungsvoll um ihn herum. Hier und da ließ jemand eine spöttische Bemerkung fallen.
    Es war fast dunkel, am Horizont hinter der Schule war ein breiter roter Streifen zu sehen. Der Himmel war dunkelblau und schon waren etliche Sterne zu erkennen.

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