Evil - Das Böse
Die Regeln waren in diesem Punkt nicht misszuverstehen. Wenn das Fach nicht mehr das Vertrauen der Mittelschüler genoss, musste es abgesetzt werden. Sie waren mit Pierre zu weit gegangen, es stellte sich heraus, dass, von wenigen Ausnahmen abgesehen, niemand an der ganzen Mittelschule so etwas noch für gute Kameradenerziehung hielt. Es hatte nur eines zündenden Funkens bedurft, um diese Revolte auszulösen.
Und seltsamerweise hatte ein Lehrer für diesen Funken gesorgt.
Es war ein Abend mit stillem Schneefall. Nachdem er an seiner und Pierres üblichen Stelle geraucht hatte, drehte Erik eine Runde auf der Straße, die um die Schule herumführte. Hier und dort standen Jungen mit Raucherlaubnis. Hier und dort standen Leute aus der Abiklasse und balzten vor den finnischen Dienstmädchen, die abends immer für eine Weile aus dem Haus kamen. Erik hatte auf die Vademecum-Prozedur gepfiffen; er war schon lange nicht mehr angehalten worden. Doch als er sich einer Gruppe näherte, die ganz besonders laut redete, was zeigte, dass sich dort auch Finninnen aufhielten, erkannte er einen Rati an der Stimme. Sicherheitshalber hätte er also kehrtmachen sollen.
Doch aus einem plötzlichen Impuls heraus zog er sich die Strickmütze übers Gesicht, als er weiterging. Mit einer gewissen Mühe konnte er durch die Maschen sehen. Als er die Gruppe fast erreicht hatte, wurde die seltsame Vermummung natürlich entdeckt.
»Hör mal, du, bleib stehen, ja? Wer bist du?«, fragte der Rati, einer aus der Abiklasse.
Erik ging gelassen weiter, und als er den anderen gegenüberstand, machte der Rati einige rasche Schritte auf ihn zu, um ihn zu packen, genau wie er erwartet hatte. Erik rannte dem verdutzten Typen davon, schob in sicherer Entfernung seine Mütze hoch und ging weiter, so als sei nichts passiert. Der andere Typ rannte wieder los und Erik ließ ihn ziemlich nah an sich herankommen, ehe er mit Leichtigkeit verschwand.
Aus der Ferne hörte er die Drohungen der Ratis und die Aufforderung, sofort zur Rauchdurchsuchung stehen zu bleiben. Erik machte einen Umweg um die Schule, um mögliche Verfolger abzuschütteln.
Auf seinem verlassenen Zimmer ließ er dann seine Kleider auf den Schreibtisch fallen und legte sich aufs Bett. Es fing vielversprechend an.
Wenn man sich die Sache genauer überlegte, lief die halbe Mittelschule in ähnlichen Klamotten herum. Fast alle trugen eine Yacht-Jacke, eine weite blaue Jacke mit dickem Futter, in der man laut Werbung schwamm, wenn man versehentlich über Bord ging. Die segelverrückten Göteborger hatten diese Mode eingeführt und nun trug sie fast die ganze Schule.
Jeans waren die dazu passenden Hosen, an den Füßen Filzstiefel mit Reißverschluss. Erik stand vom Bett auf und griff zu seiner blauen Strickmütze. Auch das passte, genau solche Mützen trugen die meisten.
Er nahm eine Schere aus der Schreibtischschublade und schnitt drei Löcher in die Mütze, für Augen und Mund. Dann zog er die Jacke an, zog die Mütze ins Gesicht und schaute in den Spiegel.
In der weiten Jacke sahen alle ungefähr gleich groß aus, man konnte nicht sehen, ob sich darunter ein dicker oder ein kleiner Junge verbarg.
Und in der Dunkelheit konnte man niemanden an den Augen erkennen. Wenn die nur eine Mütze mit Löchern sähen, würden sie nie .
Wenn man die Mütze irgendwo draußen versteckte und seine Spuren im Schnee verwischte …
Erik nutzte den nächsten Tag, um an den Details seines Plans zu feilen, sich eine neue Mütze zu besorgen und sich über Handschuhe und andere Dinge, die ihn entlarven könnten, Gedanken zu machen. Die Armbanduhr zum Beispiel. Er musste seine Armbanduhr abnehmen, bevor er losging. Dann konnte sein Plan fast nicht schief gehen. Er hatte es Pierre versprochen, er hatte sogar geschworen, dass er es tun würde.
Okay, Pierre, murmelte er, als er an diesem Abend aus dem Haus ging. Solange du hier warst, habe ich nicht ein Mal zugeschlagen. Wir wollten intellektuelle Methoden anwenden. Aber jetzt ist Schluss damit, Pierre.
Er bog in den kurzen Weg, in dem die Leute aus der Abiklasse meistens standen, und zog sich die Mütze vors Gesicht.
In der ersten Gruppe waren keine Ratis und keine aus der Abiklasse. Sie riefen ihm etwas zu, als er vorüberging, aber er gab keine Antwort. Er durfte nichts sagen.
Bei der nächsten Gruppe standen zwei Ratis, vier vom Gymnasium und drei Dienstmädchen. Er blieb fünf Meter von ihnen entfernt stehen. Sie entdeckten ihn nicht sofort, es war
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