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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verdammten Scheißern eins auf die Fresse gegeben hast.«
    Das hatte er schon einmal gehört. Hier war kein Irrtum möglich.
    »Verstehe«, sagte er. »Einmal, als sie im Karo meinen besten Freund zusammenfalten wollten, hat oben eine ›verdammter mieser Scheißhelm‹ geschrien! Das musst du gewesen sein.«
    »Ja, das war ich wohl«, sagte sie.
    Der Schnee knirschte unter ihren Schritten. Offenbar waren sie auch an der letzten Gruppe des Kommandos vorbei.
    »Warst du an dem Abend da, als diese Ratis Prügel bezogen haben?«, fragte er.
    »Ja, ich hab alles gesehen. Das war ein schöner Anblick.«
    »Warum glaubst du, dass ich das war?«
    Sie schwieg eine Weile und schaute ihre spitzen finnischen Lederstiefel an. Sie war ein wenig größer als er. Vermutlich war sie zwei oder drei Jahre älter.
    »Zu Hause hab ich einen Bruder, der so ist wie du«, sagte sie.
    »Er sagt nicht sehr viel, aber er kann schrecklich wütend werden, wenn etwas ungerecht ist. Mikko heißt er.«
    Dann wieder Schweigen.
    »Von wo in Finnland kommst du? Aus Helsingfors?«
    »Nein, nicht aus Helsinki. Aus Savolaks.«
    Savolaks. Das klang schön, sagte ihm aber rein gar nichts.
    »Willst du sie dir alle vornehmen, einen nach dem anderen?«, fragte sie ganz selbstverständlich.
    Sie war wirklich diejenige, die damals »Scheißhelm« geschrien und danach ihr Fenster zugeknallt hatte. Das hier konnte keine Falle sein, sie arbeitete bestimmt nicht mit dem Rat zusammen.
    »Ja«, sagte er. »Am liebsten möchte ich sie mir alle vornehmen, einen nach dem anderen.«
    »Du bist wie Mikko«, sagte sie nach einer Weile. »Als ich zuletzt zu Hause war und von deinem Freund erzählt habe, hat er gesagt, solche wie diese Ratsmitglieder brauchten Regimentskeile, dass es genau so klingt, wie man sich das bei den Weißen vorstellt. Im Klassenkrieg, du weißt schon.«
    Er verstand und er verstand doch nicht. Meinte sie den finnischen Winterkrieg? Die weiße Seite? Aber dass Silverhielm »Regimentskeile« brauchte, das klang überzeugend und schön.
    »Wir müssen umkehren«, sagte er, »in zwanzig Minuten klingelt es und wir Kleinen müssen alle im Haus sein.«
    Sie hatte sich noch immer bei ihm eingehakt. Sie sagten nichts; nur der Schnee knirschte rhythmisch unter ihren Schritten.
    Sie erreichten viel zu schnell den kleinen Weg, der zum Speisesaal und damit zum verbotenen Gelände führte.
    Er sah ihr Gesicht jetzt von ganz nah.
    »Kommst du morgen Abend wieder?«, fragte er und schaute ihre spitzen Lederstiefel an.
    »Ja«, sagte sie. »Ich glaube bestimmt. Um acht beim Kiosk an der Straße.«
    Dann drehte sie sich um und war verschwunden. Er lauschte eine Weile auf ihre knirschenden Schritte, dann war nichts mehr zu hören.
    Am zweiten Abend küsste sie ihn. Er beugte sich zu ihr vor, als sie weit von den anderen weg waren, und schnupperte an ihren Wangen, nahm diesen Duft von Maiglöckchenparfüm wahr, der ihn noch jahrelang verfolgen sollte, der noch lange für das Schöne stehen und erst später zu etwas werden würde, das man billiges Parfüm nennen durfte, bevor es noch viel später in der Erinnerung versank und nur als kleines Korn von unzerstörbarem astralem Material überlebte; dieser Duft, der entweder der Grund oder die Ursache dafür war, dass er sich zu ihrer Wange vorbeugte und sie langsam die Hände hob und die Handflächen gegen seine Wangen legte, um ihn vorsichtig an sich zu ziehen und zu küssen.
    Die Verliebtheit kam über ihn wie die Flut, wenn ein Staudamm birst.
    Anfangs konnte er nicht begreifen, warum sie an diesem ersten Abend hinter ihm hergekommen war. Er hatte sie manchmal durch die runden Fenster der Speisesaaltüren gesehen, vielleicht hatte er auch bemerkt, dass sie ihn musterte, und natürlich hatte er verstohlen zu ihr hingeblickt, aber war das eine Erklärung?
    Sie erzählte von der anderen Welt, die es in Stjärnsberg auch gab, von den Abenden, wenn sie alle Finnisch sprachen, ihren Gesprächen bis tief in die Nacht. Einen Ort der »Weißen« nannten sie Stjärnsberg, wo Leute zu Unterdrückern heranwachsen sollten, zum Klassenfeind kurz gesagt. Aus den unterschiedlichsten Gründen gingen sie abends dennoch aus und ließen sich von den reichen Jungen den Hof machen - es gab da wirklich die unterschiedlichsten Motive -, diesen reichen Jungen, die in einer Woche mehr Taschengeld zur Verfügung hatten, als die Mädchen in zwei Wochen verdienten. Manche, wie eine, die Marja aus Savolaks kannte, hofften auch auf eine reiche

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