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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Heirat. Hatte er nicht begriffen, dass genau deshalb nächtliche Besuche im Speisesaal-Gebäude verboten waren? Aber es gab auch solche wie sie selbst, die sich nie und nimmer mit einem Klassenfeind einlassen würden.
    Ihre klare, direkte Art, von Feinden zu sprechen, hatte etwas Erschreckendes. Konnte man Menschen hassen, nur weil sie viel Geld hatten? Ja, vielleicht, wenn man aus Savolaks kam, in der Woche hundertfünfundzwanzig Kronen verdiente und in keine Gewerkschaft eintreten durfte.
    »Aber dann bin ich doch auch …?«, fragte er, erschrocken, dass er die Frage überhaupt ausgesprochen hatte, zugleich aber auch von einer unwiderstehlichen Neugier erfasst.
    »Nein, du bist nicht so«, antwortete sie kurz, »ich hab dich das erste Mal im Karo gesehen. Das sah toll aus. Und dann vorige Woche, du weißt schon.«
    »Woher hast du gewusst, dass ich das war?«
    »Wer hätte es denn sonst sein sollen?«
    Sie führte ihn immer weiter auf ihren eigenen Weg. Wie ein verzaubertes Wesen, dachte er glücklich, wie ein Wesen aus den Wäldern; ihre klangvolle Sprache, ihr vollkommen selbstverständliches Verlangen, dass er den Ratis weiterhin verpasste, was sie aushalten konnten, und noch mehr - konnte es solche Mädchen überhaupt geben? Ihr eigenes geheimnisvolles Land war Savolaks, wo Recht und Unrecht sich ebenso leicht unterscheiden ließen wie Schwarz und Weiß; dort, wo jemand, der sich wie ein Rati verhielt, Regimentskeile beziehen musste und auch bezog, von Mikko und ihren anderen Brüdern.
    Ihr sanfter Maiglöckchenduft in der Winternacht, ihr reines Gesicht und ihr weicher Körper, ihre Hände, die ihn berührten, als sei alles, was schwer war oder sich anderswo in Geschichten im Heimwehrjargon verwandelte, überhaupt nicht schwer - das alles war so stark und zog ihn immer tiefer in die Verliebtheit.
    Sie arbeitete an vier Abenden und hatte danach vier Abende frei, in einem ständigen Kreislauf, abgesehen von Samstag oder Sonntag.
    Als ihr nächster Zyklus von vier Arbeitsabenden begann, ging Erik wieder hinaus zu seiner im Wald versteckten Mütze. Sie war verschneit, in der Nähe fand er keine Spuren, niemand war ihm gefolgt. Er ging durch den Wald, vorbei an der Stelle, wo sie im Frühling eine Rotdrossel gesehen hatten (das waren diese Stellen im Wald, die Pierre und er so gut kennen gelernt hatten), dann hatte er die Straße erreicht und war weder von der Schule noch vom Kiosk her zu sehen.
    Er näherte sich der ersten rauchenden und plaudernden Gruppe in der Dunkelheit. Er verlangsamte seine Schritte auf dem letzten Wegstück, ehe sie die drei Löcher in seiner Mütze erkennen konnten. Nein, hier war keiner von denen, die er suchte. Sie verstummten, als er vorüberging. Als er ein Stück weiter war, lief er los, damit niemand über den Fußweg an der Straße rennen und die anderen weiter hinten warnen könnte; vor sich konnte er schon die Glut einiger Zigaretten erkennen.
    Aber niemand schien ihm folgen zu wollen. Er blieb stehen und horchte. Nein, nichts bewegte sich auf dem Weg im Wald. Sein letzter Einsatz lag zehn Tage zurück und sie waren noch immer nur zehn Ratsmitglieder. Zwei lagen im Krankenhaus.
    Bald war er so dicht an die nächste Gruppe herangekommen, dass er auf ihre Stimmen lauschen konnte. Er machte noch einige Schritte, blieb stehen und horchte. Noch einige Schritte. Er hatte einigermaßen klare Sicht, ab und zu schaute der Mond hinter den Wolken hervor, dann wurde es plötzlich gefährlich hell. Er ging noch ein wenig weiter und lauschte. Wolken verdeckten wieder den Mond, die anderen konnten ihn sicher nicht sehen.
    Doch, es gab keinen Zweifel mehr. Eine der Stimmen gehörte Blinkfeuer. Sie schienen zu sechst oder zu siebt dort zu stehen. Zwei Frauenstimmen. Waren drei oder vier Jungen mit Blinkfeuer zusammen, kam es sehr darauf an, wer diese anderen waren. Es brächte nichts, länger zu warten; die, die ihn weiter hinten auf der Straße gesehen hatten, konnten inzwischen Hilfe geholt haben. Er musste geradewegs zu dieser Gruppe weitergehen und dann entscheiden, ob er an ihnen vorbeiging oder stehen blieb.
    Er ging weiter und blieb fünf Meter vor ihnen stehen. Es war wirklich Blinkfeuer. Zusammen mit zwei anderen Jungen aus der Dritten, die sich sicher aus der Sache heraushalten würden, und zwei Finninnen.
    Er wartete, bis sie ihn entdeckt hatten und verstummten. Er wollte versuchen, Blinkfeuer von den anderen zu trennen.
    »Wer bist … komm her!«, befahl Blinkfeuer mit einer Stimme,

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