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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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    Bei jedem Namen, der nun genannt wurde, wurde abwechselnd gelacht und buh geschrien. Erik kam es so vor, als werde bei seinem Namen ein wenig lauter gebuht als bei den anderen. Er sollte sich also dafür verantworten, dass er sich geweigert hatte, Schenkens Schuhe zu putzen.
    Zimmer 6 lag im Hauptgebäude der Schule. Vor der Tür, auf dem dunklen, blank gebohnerten Eichenboden, saßen die Delinquenten, die abwechselnd jammerten und Witze rissen. Die meisten waren zum ersten, zweiten oder dritten Mal beim Rauchen ertappt worden, wenn Erik ihr Gerede richtig deutete. Einige andere hatten sich, so wie er, einem Rati oder einem aus der Abiklasse gegenüber frech verhalten. Frechheit einem Abiturienten gegenüber wurde mit einem Samstagsonntag geahndet.
    Einer nach dem anderen wurde hineingerufen, kam nach ein paar Minuten wieder heraus und verkündete sein Urteil. Einige waren glimpflicher davongekommen als erwartet, andere nicht. Nur einer zeigte Anzeichen von Verzweiflung. Es ging irgendwie darum, dass er nun zu seinem Geburtstag nicht würde nach Hause fahren können. Der Ratssekretär rief in der Tür den Namen des Angeklagten, dann ging der Angeklagte hinein und schloss hinter sich die Tür.
    Als Erik das Klassenzimmer betrat, begriff er, dass er sich alles ganz anders vorgestellt hatte. Er hatte damit gerechnet, dass sie in einer Zimmerecke sitzen, Hallo sagen, ein paar Witze reißen, ihm kurz ins Gewissen reden und dann seine Strafe festlegen würden.
    Aber sie hatten die Bänke umgestellt. Der Vorsitzende Bernhard saß hinter dem Lehrerpult und die elf anderen hatten ihre Tische im rechten Winkel daneben angeordnet. Dort, wo die Reihen der Richter endeten, stand ein Tisch, ohne Stuhl. Das also war die Anklagebank. Die Ratsmitglieder trugen die Schulblazer, mit einer goldenen Kordel um das Schulabzeichen, die ihren Rang und ihre Würde zeigte. Sie trugen Schlips und weißes Hemd, hatten sich die Haare mit Wasser gekämmt und zeigten tiefen Ernst. Sie saßen natürlich nach Rang geordnet. Der Anklagebank am nächsten saßen die beiden Ratsmitglieder aus der ersten Gymnasialklasse, einen Schritt weiter zum Vorsitzenden hin die aus der zweiten Klasse und so weiter.
    Erik trat mit hinter dem Rücken verschränkten Händen und ausdruckslosem Gesicht neben die Anklagebank.
    Der Ratssekretär musste die Anklage aus dem Protokoll verlesen. Erik habe also am Soundsovielten um soundsoviel Uhr sich geweigert, einen Befehl des Abiturienten von Schenken auszuführen. Ob das zutreffe?
    »Ja«, sagte Erik. »An sich trifft diese Darstellung zu.«
    »Steh ordentlich!«, brüllte Bernhard.
    »Ich stehe so, wie ich es bequem finde, für die Wahrheitsfindung kann das ja wohl kaum von Bedeutung sein«, erwiderte Erik.
    »Dem Rat gegenüber keine Unverschämtheiten, ist das klar? Der Rat verurteilt dich zu einem Samstagsonntag Strafarbeit wegen Unverschämtheit vor dem Rat. Der Sekretär möge dieses Urteil notieren.«
    Der Sekretär notierte. Die Ratsmitglieder verzogen keine Miene und machten ernste Gesichter. Erik korrigierte seine Haltung ein wenig.
    »Gut«, sagte Bernhard. »Das wäre das. Aber was hast du zu deiner Verteidigung in der Sache zu sagen, was sollte diese Befehlsverweigerung? Weißt du nicht, dass Mittelschüler gehorchen müssen?«
    »Doch, das war mir schon erklärt worden, das wusste ich. Aber ich wollte die Schuhe nicht putzen, weil Schenken sich das nur ausgedacht hatte, um sich über mich lustig zu machen. Du würdest meine Schuhe auch nicht putzen, wenn ich dir einen Haufen verdreckte Fußballlatschen hinlegte und dir mit Prügeln drohte, falls sie nachher nicht blank aussehen wie ein Kinderarsch.«
    »Rede nicht so vulgär vor dem Schülerrat.«
    »Ich habe nur zitiert. Der mir erteilte Befehl war also auch noch in Gossensprache formuliert. Er sagte, ich solle vor allem die Fußballschuhe putzen, bis sie glänzen wie ›Kinderärsche‹.«
    »Aha«, sagte Bernhard. »Braucht der Rat Bedenkzeit oder können wir gleich zum Entschluss kommen?«
    Die Ratsmitglieder schüttelten die Köpfe, denn die Schuldfrage brauchte in diesem Fall ja wohl nicht weiter diskutiert zu werden.
    »Nun gut«, sagte Bernhard. »Du hast dich also einer einfachen Befehlsverweigerung schuldig gemacht und dich außerdem dem Rat gegenüber unverschämt verhalten. Der Rat verurteilt dich deshalb zu insgesamt zwei Samstagsonntagen und ermahnt dich, dich am Riemen zu reißen, damit wir dich hier nicht noch mal zu sehen brauchen. Von

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