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Evil - Das Böse

Evil - Das Böse

Titel: Evil - Das Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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mach keinen Ärger mehr, sondern lass alles so, wie es ist, das Schlimmste hast du sowieso hinter dir, findest du nicht?
    Halbidioten, das sind nicht alles Halbidioten. Ich meine, außer Höken und seinen stockdoofen Kumpels aus dem kleinen Adelskalender hinten in den letzten Bänken. Die meisten anderen hier sind weder dümmer noch klüger als der Durchschnitt der Menschen. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass sie schon so lange hier sind. Dass sie wirklich glauben, wir werden hier zu einem härteren Menschentyp, der draußen im Leben besser zurechtkommt, weil er gelernt hat, Schläge einzustecken und Schläge auszuteilen, Befehle auszuführen und Befehle zu geben und all das. Die meisten glauben das, oder sie wollen es zumindest glauben, um nicht als feige zu gelten. Denen muss man nur zeigen, dass man seine Feigheit überwinden kann, dass nur noch ein paar mehr nötig sind, die sich wehren, dann kommt alles in Ordnung. Und wenn es so weit ist, kannst du über Gandhi und unsere »intellektuelle« Zukunft sagen, was du willst. Verdammt, jetzt ist offenbar doch Razzia. Ja, ja, Herr Gandhi, gleich können wir wieder ein bisschen passiven Widerstand üben, indem wir vertrocknete Zahnpasta von Bettwäsche und Büchern wischen .
    Es gab zwei Möglichkeiten, sich dem Arrest oder der Strafarbeit vorübergehend zu entziehen. Erstens war jeder berechtigt, am Sonntagvormittag die drei Kilometer zur Kirche zu gehen und den Gottesdienst zu besuchen. Vor allem im Frühling und bei besonders schönem Wetter kam es deshalb bei Arrestanten und Strafarbeitern zu heftigen Ausbrüchen von Frömmigkeit.
    Der zweite Grund wurde offenkundig, als ein Arrestant ausblieb, weil er an einer Übung der Heimwehr teilnahm. Stjärnsberg besaß eine eigene Unterabteilung der Heimwehr von Södermanland, die ab und zu von einem Obersten inspiziert wurde.
    Die Heimwehr bewahrte ihre Ausrüstung in zwei roten Baracken dicht beim Schießgelände auf. Dort gab es einen Satz Stahlhelme aus den Dreißigerjahren, in die vorn drei Kronen eingraviert waren, dazu einen Satz grauer Felduniformen Gr. 40, Mausergewehre, Bajonette, Handgranaten, Sprengstoff, Zündhütchen, Marschstiefel, automatische Gewehre, Maschinengewehre - deren ausgeleierte Mechanik oft versagte - sowie vier Maschinenpistolen und reichlich Munition. Es war für die damalige Zeit eine ungewöhnlich reichhaltige Heimwehrausrüstung, was vermutlich vom reichen Beziehungsgeflecht zwischen Schule und Militär herrührte.
    Unter den Mittelschülern war die Haltung der Heimwehr gegenüber gespalten. Natürlich konnte es durchaus männlich wirken, mit einer Maschinenpistole und scharfer Munition zu schießen. Aber man sah lächerlich aus in den viel zu großen Uniformen und außerdem lagen die Heimwehrübungen in der Freizeit. In der Heimwehr fehlte es eindeutig an Mittelschülern, weshalb man mit allerlei Vorteilen lockte.
    Einer dieser Vorteile war die Erlaubnis zu rauchen, auch wenn man keine Raucherlaubnis besaß. Das heißt, man durfte rauchen, solange man Uniform trug, und das Rauchwerkzeug, das bei den Heimwehrübungen verwendet wurde, musste unter der übrigen Heimwehrausrüstung verwahrt werden. Das und die Aussicht, während der Übungen Arresten oder Strafarbeiten zu entgehen, waren die wichtigsten Gründe, aus denen sich überhaupt ein kleines Kontingent von zwanzig Mittelschülern zusammengefunden hatte.
    Die Mittelschüler waren wichtig, weil auch einfache Mannschaften benötigt wurden. Die Leute aus der Abiklasse, die Gymnasiasten aus dem Hochadel und die Ratsmitglieder, die der Heimwehr angehörten, mussten naturgemäß eine Art Offiziersstellung bekleiden, und Offiziere konnten sie nicht sein, wenn sie keine einfachen Soldaten herumkommandieren konnten.
    Deshalb hatte Biber nach allerlei Verhandlungen zwischen Rektor und Rat die Vergünstigungen erwirkt.
    Biber war Mathematiklehrer und unterrichtete unter anderem in der Klasse von Erik und Pierre. Seinen Spitznamen verdankte er seinen zwei sehr großen und sehr weit vorstehenden Schneidezähnen. Am Pult war er ein wenig unbeholfen und schüchtern, aber wenn er seine Uniform mit den Rangabzeichen als Chef des gesamten Korps trug, durchlebte er eine Persönlichkeitsveränderung, die an Dr. Jekyll und Mr. Hyde erinnerte.
    Als Biber erfuhr, dass Erik und Pierre an den kommenden Wochenenden zu Strafarbeiten verdonnert waren, bat er sie nach der Stunde um ein Gespräch und überredete sie, sich zumindest versuchsweise zur

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