Evil - Das Böse
fast unmöglich, die Gedanken von dem fortzureißen, was noch am selben Tag passieren musste. Das Wichtigste war weiterhin, Silverhielm zu verspotten, das stand fest. Prügel oder auch viele Prügel würden daran nichts ändern. Die Frage war nur, ob Silverhielm das inzwischen begriffen hatte und sich für Erik noch größere Erniedrigungen überlegte. Aber waren die überhaupt vorstellbar? Auge um Auge, Zahn um Zahn, aber was wollte Silverhielm machen? Er war Präfekt und würde hinter seinem Rücken schlimmer ausgelacht werden als je ein anderer Präfekt zuvor. Und irgendwo musste es auch eine Grenze dafür geben, was unter der Bezeichnung »Kameradenerziehung« geduldet wurde.
Auch beim Mittagessen ließ Silverhielm sich nicht blicken. Inzwischen kochte die Schule über von Geschichten über Eriks Rache. Erik stritt in Worten alles ab und bekräftigte es durch seine Mimik.
Es würde also nach dem Abendessen passieren. Möglicherweise warteten sie bis zur Nacht - nein, es schien unwahrscheinlich, dass sie es ein weiteres Mal mit dem Hockeyschläger aufnehmen würden. Oder doch: wenn jemand auf die Idee kam, sich aus dem Magazin der Heimwehr eine Rauchbombe zu holen.
Das Beste wäre wohl, die Abrechnung gleich nach dem Abendessen zu provozieren. Alle anderen Möglichkeiten erschienen Erik weniger gut. Es war nicht schwer, sich auszurechnen, wie man Silverhielm beim Abendessen dazu bringen konnte, die Beherrschung zu verlieren. Natürlich nur, wenn er auftauchte.
Silverhielm kam zum Abendessen. Er saß schon auf seinem Platz, als Erik den halb vollen Speisesaal betrat. Eine riesige Blase des Schweigens bildete sich, als Erik zu dem Tisch ging, um sich an Silverhielm vorbeizudrücken und seinen Platz ganz hinten an der Wand einzunehmen. Er blieb hinter Silverhielms Rücken stehen und wartete, bis im Umkreis von einigen Quadratmetern alles still geworden war.
Dann schnüffelte er demonstrativ und hörbar in die Luft.
»Komisch«, sagte er. »Ich meine, es riecht hier nach Scheiße, findet ihr nicht? Hast du dich nicht gewaschen, Silverhielm?«
Die Umgebung explodierte vor kaum unterdrücktem Lachen.
Silverhielm fuhr auf und in seiner Stimme lag eine Mischung aus Weinen und Hysterie, als er schrie, Erik solle sich setzen und die Fresse halten, sie würden sich bald um ihn kümmern.
»Jajaja, immer mit der Ruhe«, antwortete Erik. »Ich finde doch nur, du solltest besser gewaschen bei Tisch erscheinen.«
Dann machte er kehrt und ging demonstrativ schnüffelnd durch den Gang zwischen den Tischen, begleitet von neuem Gelächter.
Die Frage war, wie weit er die Sache während des Essens treiben könnte. Irgendwie würde er dabei natürlich alle Brücken hinter sich abbrechen. Was bedeutete, dass er bei der nächsten Mahlzeit, wann immer er die einnahm, in derselben Weise weitermachen musste, so lange, bis einer von ihnen als Erster aufgab. Er würde das nicht sein, also konnte Silverhielm nicht gewinnen, egal, wie oft er organisierte Prügel austeilen ließ. So musste Erik es machen.
Nach dem Tischgebet beugte er sich vor und rief Silverhielm zu, der Gestank sei bis zu ihrem Tisch zu riechen, dann wünschte er guten Appetit.
Silverhielm gab keine Antwort. Nach einer Weile schlug Erik wieder zu.
»Du hast doch hoffentlich nur Kacke von Leuten aus dem Rat und aus der Abiklasse in den Mund gekriegt? Die schmeckt sicher besser als unsere Kacke aus der Mittelschule?«
Silverhielm gab keine Antwort.
»Wenn man sich’s genauer überlegt, muss ein Teil von der Kacke ja deine eigene gewesen sein. Mit etwas Glück hast du die sogar in den Mund gekriegt.«
Seltsam, dass Silverhielm sich beherrschen konnte. Das verhieß nichts Gutes. Hatte er einen so wohl überlegten Plan, dass ihn nichts davon abbringen konnte?
Nach dem Essen würden zuerst Abiklasse, Tischmajore und Ratsmitglieder den Saal verlassen, dann die Gymnasiasten und schließlich die Mittelschüler nach der Nummer der Tische. Das bedeutete, dass sie vor dem Eingang auf ihn warten würden. Es hatte keinen Sinn, sich vorher hinauszuschleichen. Erstens würden sie ihn früher oder später doch erwischen, und zweitens wäre es nur zu seinem Nachteil, wenn er sich ängstlich zeigte. Die einzige Chance, die nächste Runde zu gewinnen, lag darin, genau das nicht zu tun. Das Beste wäre es, Silverhielm hier und jetzt im Speisesaal zu provozieren. Das würde die Wirkung der Prügel nach dem Essen schwächen.
»Ich finde, du isst so wenig, Scheißhelm, und an dem
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