Evolution der Leere: Roman

Energieimpuls, der geradewegs vom High Angel aus auf sie zuschnellte. Er traf ihr Schiff.
    Der Schuss war so hochenergetisch, dass er auf äußerst eigentümliche Weise die Raumzeit verzerrte, sodass sich, obwohl das Raumschiff binnen Millisekunden zerfetzt wurde, die Zeit im Innern der Explosion dehnte und dehnte und dehnte ...
    Für Cat dauerte der ganz und gar qualvolle Moment ihres Todes Stunde um Stunde um lange, schreckliche Stunde. Obwohl sie niemals realisierte, dass es sich dabei um exakt dieselbe Zeitspanne handelte, die Tiger Pansy gebraucht hatte, um zu sterben - damals, vor 1.199 Jahren.
    Neuntausend Lichtjahre von der Leerengrenze und fünf Lichtjahre von dem nächsten Stern entfernt öffnete sich wabernd ein Wurmlochterminus und verschüttete sein sanftes, indigoblaues Licht in den interstellaren Raum. Dreißig Sekunden später schoss der stromlinienförmige Umriss der Mellanie's Redemption heraus.
    »Leck mich am Arsch«, rief Corrie-Lyn aus. »Wir haben's geschafft.« Sie lächelte ungläubig und gab Troblum, bevor dieser irgendetwas dagegen unternehmen konnte, einen schmatzenden Kuss.
    Das schwache Licht hinter ihnen verblasste, als sich das Wurmloch schloss, und ließ sie so einsam und allein zurück, wie nur irgendeine Gruppe von Menschen es jemals gewesen war. Rasch breitete sich in der Kabine die Erkenntnis aus, in welcher Lage sie sich befanden. Das kleine, selbstgenerierte Gaiafield verstärkte dies noch, und jede Euphorie schwand wieder dahin.
    In der unbehaglichen Stille, die folgte, nahm Inigo Corrie-Lyn in den Arm.
    »Was glaubt ihr, was passiert ist?«, fragte Araminta Zwei.
    »Die Hauptsache ist, dass das geistesgestörte Miststück uns nicht gefolgt ist«, sagte Oscar.
    »Und Paula?«
    Oscar grinste. »Glauben Sie mir, wenn irgendjemand in diesem Universum auf sich selbst aufpassen kann, dann Paula Myo.«
    »Und wie geht's jetzt weiter?«, fragte Inigo.
    »Was für eine Frage«, erwiderte Aaron. »Wir fliegen in die Leere.«
    »Ich meinte, was machen wir mit den Krieger-Raiel?«
    »Zwei Möglichkeiten«, sagte Oscar. »Falls Paula überlebt hat, ist unsere unbehelligte Durchreise möglicherweise bereits abgemachte Sache. Falls nicht, probieren wir es in der Tat auf die Weise, die Troblum vorgeschlagen hat. Wir fragen höflich und nett, ob man uns vorbeilässt.«
    »Jetzt sind wir schon so weit gekommen ...«, sagte Corrie-Lyn.
    »Das ist die Art von verrücktem Optimismus, die ich mag«, entgegnete Oscar. »Troblum, auf geht's.«
    »Wir sollten langsam mal anfangen, die Medi-Kammern zu installieren«, bemerkte Tomansio.
    Oscar grinste abermals. »Noch so 'n Optimist.«
    »Ich denke nur praktisch.« Tomansio tätschelte eine der Kapseln, die an der Kabinenwand übereinandergestapelt waren. Er musste seinen Arm nicht besonders weit dafür ausstrecken.
    »Okay, nächste Frage«, sagte Liatris. »Wen schicken wir denn jetzt für die nächste Reiseetappe schlafen?«
    »Von mir aus gern mich«, erwiderte Oscar. »Vorausgesetzt, ihr holt mich da wieder raus, wenn wir die Leerengrenze passieren. Das muss ich unbedingt sehen.«
    »Wir gehen auf FTL«, meldete Troblum. »Ich werde die Bots anweisen, den vorderen Frachtraum vorzubereiten.«
    »Wie lange bis zu den Wall-Sternen?«, fragte Aaron.
    »Hundertsechzig Stunden.«
    Paula teleportierte in Qatux' Privatgemach, wofür sie ausgesprochen dankbar war. Was das Laufen anging, war bei ihr vorläufig nicht allzu viel zu holen. Ihr linkes Bein steckte in einer dicken, wärmenden Umhüllung. Zwölf semiorganische Knollen hafteten an verschiedenen Partien ihres Oberkörpers; ihre feinen Fasern woben sich durch ihre Haut, um sich mit den tiefer sitzenden Biononics zu verbinden und so die Wiederherstellung der zerstörten Zellen zu fördern. Sie trug eine weite Robe über all den Systemen und humpelte daher wie eine alte Frau - was im Grunde auch zutraf, wie sie sich grimmig eingestehen musste.
    Ein der menschlichen Körperform angepasster Sessel wuchs lautlos aus dem hellblauen Boden, und sie machte es sich darin bequem. Direkt vor ihr schuf die silbergraue Wand weiter ihr sanftes, fließendes Kräuseln. Tiger Pansys Gesicht lächelte sie durch die sich eigenartig schlängelnden Bewegungen hindurch an.
    Jetzt kannst du in Frieden ruhen, dachte Paula. Wo immer du bist.
    Die Wand teilte sich, und Qatux trat ein. Einer seiner mittelgroßen Tentakel streckte sich aus, und die schaufelartige Spitze berührte Paula an der Wange. Sie spürte ein