Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Noch vorzufinden ist sie bei einigen wenigen Verpflichtungen, dem Wehrdienst, bei Gesetzesüberschreitungen und vielen Maßnahmen zur Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit. Beispielsweise könnte der Staat bei schweren Katastrophen (Überschwemmung, Erdbeben, Seuchen etc.) mobil machen und seine Bürger zur Hilfeleistung anweisen.
Im Kapitel
Zivilisation
auf Seite → wird die These vertreten, dass der Prozess der Zivilisierung mit einer zunehmenden Durchsetzung der Gefallen-wollen-Kommunikation gegenüber der dominanten Kommunikation einhergeht, ja dass es sich hierbei sogar um das wesentliche Merkmal des Zivilisationsprozesses handelt. Damit soll aber keineswegs suggeriert werden, bei der gesellschaftlichen Evolution handele es sich um eine gerichtete Entwicklung, die das eine oder andere Ziel verfolgt oder einen besseren, gleicheren oder höheren gesellschaftlichen Status anstrebt.
Grundsätzlich lassen sich aber die folgenden Dinge festhalten:
Sozialer Wandel ist nichts anderes als die Evolution sozialer Systeme (Gesellschaften), bei denen es sich gemäß den bisherigen Ausführungenum biologische Phänomene handelt. Sozialer Wandel kann deshalb als ein Teilaspekt der biologischen Evolution verstanden werden.
Sozialer Wandel findet statt. Er hat keine Richtung und kein Ziel. Er lässt sich nicht präzise vorhersagen und auch nur bedingt steuern.
Gesellschaften beruhen letztlich immer auf autonomen, selbsterhaltenden Elementen, und zwar den Menschen, die sie beheimaten. Beide Evolutionen, die von Gesellschaften und die ihrer Menschen, können folglich nicht isoliert voneinander betrachtet werden.
Gesellschaften sind mit ihren jeweiligen Umgebungen strukturell gekoppelt. Sozialer Wandel kann deshalb nur im Zusammenhang mit dem Wandel der äußeren Rahmenbedingungen verstanden werden. Eine Gesellschaft, die nahezu unbegrenzten Zugang zu preiswerten Energiequellen hat, dürfte sich folglich ganz anders entwickeln, als eine, bei der Energie knapp ist.
Der Prozess des sozialen Wandels lässt sich in vielen Fällen wie folgt beschreiben:
Bei komplexen Gesellschaften – insbesondere bei Zunahme der Bevölkerungsdichte beziehungsweise der sozialen Beziehungen – kommt es zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierung, und zwar vor allem zur Komplexitätsreduzierung. Denn auf diese Weise können die internen Prozesse in den Subsystemen relativ überschaubar gehalten werden, während alles andere der Umwelt zugerechnet wird.
In allen Gesellschaften wird es immer Menschen geben, die der Auffassung sind, ihre Interessen würden nicht angemessen vertreten. Damit sich das ändern kann, müssen sie sich zunächst organisieren, das heißt, ein eigenes soziales System gründen, was sich ihrer Interessen annimmt. Einzelinteressen sind dagegen meist ohne Belang 135 .
Die weitere Vorgehensweise hängt nun stark von den in der Gesellschaft vorhandenen Machtstrukturen und den in ihr etablierten Kommunikationsmechanismen ab. In modernen Gesellschaften würde das soziale System meist zunächst versuchen, seine Interessen demokratisch durchzusetzen, zum Beispiel auf dem Verhandlungswege, oder indem man sich mit seinen Interessen zur Wahl stellt (Gefallen-wollen-Kommunikation). Ist das nicht möglich, erfolgt nicht selten ein Umschwenken auf dominante Kommunikationsweisen.
Größere soziale Veränderungen dürften immer dann anstehen, wenn die in der Gesellschaft etablierten Machtstrukturen und Dominanzhierarchien durch entsprechend starke Interessengruppen in Frage gestellt werden, denn dann steht die Eigenorganisation der Gesellschaft selbst zur Disposition. Unter Umständen besitzt die Gesellschaft nach Vollendung der Wandlungsprozesse eine andere Identität als vorher.
4.26 Lamarckismus
In der Evolutionsbiologie wurde lange darüber gestritten, ob erworbene Eigenschaften vererbt werden können (
Lamarckismus
). Die Frage war etwa: Kann das tägliche Strecken von Elterntieren bei der Nahrungsaufnahme über viele Generationen hinweg bei der Verlängerung von Giraffenhälsen eine Rolle gespielt haben? Diese Frage wird heute von den meisten Evolutionsbiologen verneint (Mayr 2005: 197).
Die ursprüngliche Darwinsche Evolutionstheorie machte keinerlei Aussagen über den zugrunde liegenden Vererbungsmechanismus, und zwar wohl auch deshalb, weil Darwin ihn zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verstand. Mit vielen seiner Zeitgenossen teilte er deshalb die Vorstellung von der Vererbung erworbener Eigenschaften
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