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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Beschreibungen der sogenannten
evolutionären Kränkung der Forschrittserwartung
entnehmen (Schmidt-Salomon 2006: 12):
    Die Evolution – biologisch wie kulturell – unterliegt keinem linearen Trend hin zum Besseren/Komplexen/Höherentwickelten, vielmehr handelt es sich um einen fortschrittsblinden „Zickzackweg auf dem schmalen Grad des Lebens“.
    Allerdings mehren sich in der Zwischenzeit die kritischen Stimmen an der ausschließlich genzentrischen Sicht der Evolutionsbiologie (Niller 2005; Bauer 2006: 13). So schlagen Eva Jablonka und Marion J. Lamb etwa vor (Jablonka/Lamb 2006), bei der Evolution des Lebens von vier Vererbungsebenen – genetisch, epigenetisch, verhaltensspezifisch und zeichenbasiert – auszugehen, die aber alle – eventuell mit Ausnahme der ersten – im Wesentlichen lamarckistisch operieren (siehe dazu den Abschnitt
Vererbungssysteme und Replikatoren
auf Seite → ). Daneben wird bemängelt, dass sich die beiden Disziplinen Evolutions- und Entwicklungsbiologie bislang zu sehr getrennt voneinander weiterentwickelt hätten (Kirschner/Gerhart 2007). Offenbar bestehe aber neben den Genen auch noch ein epigenetisches Vererbungssystem, welches einen entscheidenden Einflussauf die Ontogenese eines Individuums nehmen kann. So würden offenkundig nicht nur Gene, sondern wohl auch Markierungen und Genregulationen, die sich unter bestimmten Lebensbedingungen ausbilden, vererbt. Diese könnten über viele Generationen weitergegeben werden (Lenzen 2003: 83).
    Und selbst bei der genetischen Vererbung tauchen mittlerweile erste Zweifel an deren ausschließlicher Blindheit auf. So ist durchaus vorstellbar, dass Mutationen nicht nur rein zufällig sind, sondern in einem gewissen Sinne sogar interpretativ beziehungsweise gerichtet erfolgen können (siehe dazu auch den Abschnitt
Makroevolution
auf Seite → ).
    Wie dem auch sei: Einige evolutionäre Prozesse – wie die biologische Evolution auf Basis der Gene – operieren in erster Linie blind und zufällig und bringen dabei trotzdem Erstaunliches hervor 136 . Und andere evolutionäre Prozesse – wie zum Beispiel die technische Evolution – funktionieren vor allem lamarckistisch.
    Eine generelle Evolutionstheorie, die möglichst viele unterschiedliche Evolutionen korrekt beschreiben kann, muss zwingend mit beiden Evolutionsarten (darwinistisch und lamarckistisch) vereinbar sein. Die Systemische Evolutionstheorie macht deshalb auch keinerlei Annahmen in die eine oder andere Richtung.
4.27 Kooperation und Altruismus
    An dieser Stelle soll zunächst einmal präzisiert werden, was im Rahmen des vorliegenden Buches unter Kooperation und Altruismus verstanden wird:
Kooperation Eine Kooperation ist die temporäre oder dauerhafte Zusammenarbeit verschiedener Systeme zum tatsächlichen oder vorgegebenen Nutzen aller beteiligten Kooperationspartner.
Altruismus Altruismus (von lateinisch: alter: der andere) ist die willentliche Verfolgung der Interessen oder des Wohls anderer beziehungsweise der Gemeinschaft. Das Ziel der Handlungen bleibt dabei unberücksichtigt. Altruismus könnte letztlich auch egoistisch motiviert sein. Allerdings wird dann – in Abgrenzung zum allgemeinen Altruismus – meist vom reziproken Altruismus gesprochen.
Das vorliegende Buch wird jedoch zeigen, dass auch nichtreziproker Altruismus verborgene egoistische Ziele verfolgen kann.
Reziproker Altruismus Reziproker Altruismus operiert – vereinfacht ausgedrückt – gemäß der Leitlinie: „Ich helfe anderen, damit auch mir geholfen wird.“ Es handelt sich dabei also im Grunde um Vorleistungen, für die in vergleichbaren Situationen entsprechende Gegenleistungen erwartet werden.
    In den Wissenschaften wurde lange Zeit darüber gerätselt, wie kooperatives und altruistisches Verhalten in einer Welt aus lauter Egoisten und ohne zentrale Koordination entstehen kann (Axelrod 1984: 3). Das übliche Argument der Evolutionsbiologen war: Speziell altruistisches Verhalten verbessere die Überlebenschancen anderer und senke möglicherweise gleichzeitig den eigenen Fortpflanzungserfolg. Es stelle folglich zunächst einmal einen evolutionären Nachteil dar (Dawkins 2007: 45):
    Selbst in der Gruppe der Altruisten wird es fast mit Sicherheit eine andersdenkende Minderheit geben, die sich weigert, irgendein Opfer zu bringen. Wenn es nur einen einzigen eigennützigen Rebellen gibt, der entschlossen ist, den Altruismus der übrigen auszunutzen, so wird er per definitionem mit größerer Wahrscheinlichkeit

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