Evolution, Zivilisation und Verschwendung
zusammen. Die auf diese Weise gebildeten Systeme besitzen ebenfalls ein eigenständiges Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteresse. Anders als die beiden bislang genannten Systemtypen reproduzieren sie sich jedoch nicht durch das Erstellen von Kopien, sondern durch die interne Erneuerung ihrer Elemente, Strukturen und Kompetenzen. Die Evolution der Superorganismen bringt maßgeblich das moderne Leben hervor (technische, soziale, kulturelle, wissenschaftliche Evolution). Aus einer Makrosicht dürfte diese Evolution nun alle anderen Entwicklungsebenen dominieren.
Im Grunde kann der Prozess der Systemhierarchisierung auch als eine Abfolge von sich abwechselnden konkurrierenden und kooperativen Phasen verstanden werden:
Konkurrenzphase
: Zunächst konkurrieren Systeme in einem Lebensraum um Ressourcen.
Kooperationsphase
: Verschiedene Systeme beginnen zum Zwecke der Befriedigung gemeinsamer Bedürfnisse miteinander zu kooperieren. Die verschiedenen Subsysteme (Elemente) der Kooperationsgemeinschaften schließen sich immer enger zusammen, so dass Einzelsysteme ihnen gegenüber nun erheblich im Nachteil sind. Die Kooperationen werden schließlich so eng, dass sich die Elemente zu eigenständigen selbsterhaltenden Systemen (einer neuen Systemebene) verbinden.
Konkurrenzphase
: Nun konkurrieren die neu gebildeten Systeme (einer höheren Systemebene) untereinander um die Ressourcen ihres Lebensraums.
Wie bereits im Abschnitt
Biologische Evolutionstheorie
auf Seite → erwähnt wurde, ist für Joachim Bauer (Bauer 2006) der biologische Antrieb des Lebens nicht die Konkurrenz, sondern die Kooperation, weshalb er weite Teile der Evolutionstheorie in Frage stellt. Demgegenüber scheinen Konkurrenz und Kooperation jedoch keine sich widersprechenden, sondern sich ergänzende Selbsterhaltungsstrategien zu sein. Im gewissen Sinne ist nämlich Kooperation lediglich Konkurrenz auf einer höheren Ebene.
Die biologische Evolution beschränkt sich gemäß den obigen Ausführungen auf Ein- und Mehrzeller, das heißt, auf die beiden unteren Systemebenen, während die technische, soziale, kulturelle und wissenschaftliche Evolution primär eine Sache der Superorganismen und damit der dritten Systemebene ist. Die Evolution bringt also nicht nur immer komplexere Organismen, sondern auch zunehmend höhere Systemebenen hervor, die dann natürlich ihren eigenen evolutiven Entwicklungen unterliegen.
Der Prozess der Evolution auf der Erde könnte zusammenfassend annäherungsweise wie folgt dargestellt werden:
Zunächst evolvierten ausschließlich Einzeller und Organismen. Die vorherrschende Interaktionsweise war zu dieser Zeit noch die dominante Kommunikation: Fressen und gefressen werden. Alle Arten optimierten sich gemäß dieses Paradigmas.
Mit der sexuellen Fortpflanzung kam dann die Gefallen-wollenKommunikation, auf deren Basis eigenständige, marktmäßige Evolutionsumgebungen entstanden. Nun bildeten sich bei den Lebewesen erstmalig Merkmale aus, die zwar den spezialisierten Marktanforderungen genügten, einer optimalen Anpassung an den sonstigen Lebensraum jedoch eher im Wege standen. Beispiele dafür sind die Pfauenschweife, aber auch viele Funktionen des menschlichen Gehirns (Miller 2001).
Die ungeheure Kooperationsfähigkeit des menschlichen Gehirns erlaubte dann das flexible Entstehen von Superorganismen, die sich wiederum in eigenständigen Evolutionsumgebungen – meist Märkten auf Basis der Gefallen-wollen-Kommunikation – weiterentwickelten. Dabei brachten sie unter anderem die Evolution der Technik, der Wissenschaften und der Kultur hervor.
Insgesamt darf vermutet werden: Auf der Erde entsteht letztlich alles durch Evolution, also nicht nur Bakterien, Pflanzen und Tiere, sondern Autos, Mobiltelefone, Zahnbürsten, Organisationen wie Banken und Technologiekonzerne, Religionen, Moralvorstellungen, Hypothesen, Wahrheiten und wissenschaftliche Arbeiten ebenso, und zwar gemäß den Prinzipien der Systemischen Evolutionstheorie.
4.33 Einwände gegen die Evolutionstheorie
Die biologische Evolutionstheorie mit all ihrer Zufälligkeit und Blindheit (Dawkins 2008) trifft bis heute auf den erbitterten Widerstand christlicher Fundamentalisten. Unter ihren Gegnern können im Wesentlichen zwei Strömungen unterschieden werden:
Kreatonismus
und
Intelligent Design
.
Kreatonismus
Der Kreatonismus geht unter anderem von den folgenden Grundannahmen aus (Kutschera 2008: 236):
Die historischen Aussagen der Bibel (zum Beispiel
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