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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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verschwenderischer als die dominante Kommunikation (siehe Kapitel
Verschwendung
auf Seite → ).
Bei der sexuellen Selektion (Gefallen-wollen-Kommunikation) kommen meist ausgesprochen verschwenderische Fitnessindikatoren (Handicaps) und Werbemaßnahmen (siehe Kapitel
Verschwendung
auf Seite → ) zum Einsatz.
    Man könnte geneigt sein, die aufgelisteten Punkte allesamt unter
Die Nachteile der Sexualität
aufzuführen. Allerdings soll der Begriff Vorteil hier im Sinne „evolutionärer Vorteil“ verstanden werden, und dann könnte man die Dinge auch genau anders herum betrachten.
    Einige Wissenschaftler behaupten nun aber, beim Leben handele es sich um eine dissipative Struktur, die sich im Nichtgleichgewichtssystem Erde zur Ausgleichung sonneninduzierter Gradienten ausbildet, und dabei ihren lokalen Organisationsgrad um den Preis der Entropieerzeugung in der Umgebung erhält (Schneider/Kay 1997: 190) (siehe Abschnitt
Leben als dissipative Struktur
auf Seite → ). Ihr Fazit ist, das Leben schaffe Ordnung aus Unordnung, allerdings im Dienst der Erzeugung von noch mehr Unordnung (Schneider/Kay 1997: 193).
    Ganz ähnlich sieht dies Jacques Neiryncks in seinem Buch „
Der göttliche Ingenieur
“ (Neirynck 2006) (siehe Abschnitt
Globalisierung
auf Seite → ).
    Argumentiert man in dieser Weise vor dem Hintergrund des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik (Entropiesatz), dann könnte man durchaus folgern: Getrenntgeschlechtliche Sexualität ist verschwenderischer als andere Fortpflanzungsweisen. Mithilfe der Gefallen-wollen-Kommunikation ist sie in der Lage, die Ressourcen (inklusive Energie) der Natur und vorhandene Nischen stärker auszunutzen, als dies andere Reproduktionsarten tun werden und können. Sie dürfte sich deshalb allein schon aus energetischen Gründen durchsetzen
4.30.3 Zusammenfassung
    Die Vorteile der genetischen Rekombination waren sicherlich von sehr großer Bedeutung für die Entstehung und Durchsetzung der Sexualität, allerdings erklären sie noch nicht, warum sich die getrenntgeschlechtliche Fortpflanzung bei höheren Lebewesen gegenüber dem Hermaphroditismus durchgesetzt hat. Die auf den letzten Seiten dargelegten Analysen lassen dafür nur einen Schluss zu: Der entscheidende evolutionäre Vorteil getrenntgeschlechtlicher Populationen resultiert aus dem Unterschied in der potenziellen Fruchtbarkeit von männlich versus weiblich (Voland 2007: 49) und den damit verbundenen geringeren Elterninvestments des männlichen Geschlechts. Solche Populationen sind Hermaphroditen und sich asexuell fortpflanzenden Populationen gegenüber zwar häufig
quantitativ
unterlegen, jedoch bezüglich der
qualitativen
Verbesserung des Genpools (beschleunigte Evolution) weit überlegen. Darüberhinaus können sich erst in ihnen komplexere Interaktionsweisen wie Gefallen-wollen-Kommunikation und Altruismus ausbilden und durchsetzen. Bei der Sexualität geht es somit ganz wesentlich auch um Kommunikation.
    Mit der auf der sexuellen Fortpflanzung beruhenden Gefallen-wollenKommunikation sind der gegenseitige Respekt und die Kultur in die Welt gekommen. Davor drehte sich praktisch alles nur ums
fressen oder gefressen werden
. Erst die Sexualität hat die moderne Welt möglich gemacht.
4.31 Systemische Evolutionstheorie und Selektionen
    In den Kapiteln
Zivilisation
auf Seite → und
Verschwendung
auf Seite → werden der Modernisierungsprozess und einige damit verbundene günstige,aber auch ungünstige Begleiterscheinungen ganz entscheidend auf die Verdrängung dominanter Kommunikationsweisen durch die Gefallenwollen-Kommunikation zurückgeführt. Bei vielen Erklärungen wird gleichzeitig behauptet, die zugrunde liegende Theorie sei die Systemische Evolutionstheorie.
    Nun könnten Sie vielleicht argumentieren, dies seien doch zwei verschiedene Paar Schuhe. Auf der einen Seite beinhalte das vorliegende Buch eine Systemische Evolutionstheorie, und die könne man im entsprechenden Abschnitt
Systemische Evolutionstheorie
auf Seite → nachlesen, und auf der anderen Seite eine Theorie zur gesellschaftlichen Selektions- und Kommunikationstechnik, und dafür stünde das Kapitel
Selektionen
auf Seite → . Beide Dinge hätten aber rein gar nichts miteinander zu tun.
    Dem ist leider nicht so, auch wenn es vielleicht bislang noch nicht ganz deutlich geworden ist.
    Die Darwinsche Evolutionstheorie setzt sich aus zwei unabhängigen Teiltheorien zusammen, wobei es in beiden Fällen ganz wesentlich um Selektionen geht:
Die
natürliche

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