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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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sich ein lebendes System von unbelebter Materie unterscheidet. Aus der Sicht der Thermodynamik ließe sich vermutlich kein signifikanter Unterschied zwischen Wirbelstürmen, Ameisennestern und einzelnen Ameisen ausmachen. Im Allgemeinen würde man aber nur letztere als Lebewesen bezeichnen.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich möchte mit dem Gesagten keinesfalls infrage stellen, dass ein selbstorganisatorischer Prozess wie der des Lebens nur unter den Bedingungen des thermodynamischen NichtGleichgewichts entstehen kann.
    Wir können insgesamt festhalten: Die Theorie, Leben sei eine dissipative Struktur, bestätigt wesentliche Ergebnisse des vorherigen Abschnittes, nämlich dass die Evolution des Lebens mit einer zunehmenden Nutzung von Energie und einer generellen Steigerung der Energieeffizienz einhergegangen ist und vermutlich auch weiter einhergehen wird (Schneider/Kay 1997: 191f.):
    Biologische Systeme entwickeln sich, damit sie ihre Energiedegrationsrate erhöhen; biologisches Wachstum, die Ausbildung von Ökosystemen und die Evolution stellen die Entwicklung neuer Ausgleichswege dar. Mit anderen Worten: Ökosysteme entwickeln sich so, dass die Menge an Exergie, die sie erlangen und degradieren, sich beständig erhöht. Folglich verringert sich die Exergie der abgegebenen Energie, während sich Ökosysteme entwickeln. Mit der Formulierung „Ökosysteme entwickeln sehr viel Leistung“ ist also gemeint, dass sie die Exergie in der eintreffenden Energie möglichst effektiv nutzen, während sie gleichzeitig die gewonnene Energiemenge erhöhen.
    Das Leben selbst dürfte sich dagegen mittels einer solch eingeschränkten thermodynamischen Sicht kaum erklären lassen.
1.3 Leben und Fortpflanzung
    Eine allgemeinverbindliche Definition des Begriffes
Leben
existiert nicht. Was Leben ist, was sein Wesen ausmacht, ist letztlich auch für die Wissenschaften eine offene und vieldiskutierte Frage (siehe dazu die Ausführungen im Abschnitt
Was ist Leben?
auf Seite → 16 ). Recht häufig wird aber angenommen, dass eine Entität mindestens die folgenden Eigenschaften besitzen muss, um ein Lebewesen zu sein 17 :
Selbstregulierung
(Homöostase)
Selbstregulierung bezeichnet die Fähigkeit, sich mittels Rückkopplung selbst innerhalb gewisser Grenzen in einem stabilen Zustand zu halten (Bertalanffy 1977: 18ff.).
Stoffwechsel
(Metabolismus)
Lebewesen sind entropiearme Systeme hoher Ordnung. Mit anderen Worten: Sie halten Energie konzentriert vor 18 . Damit dieser unwahrscheinliche Zustand aufrechterhalten werden kann, ist eine ständige Zufuhr von Energie 19 bei gleichzeitiger Abgabe (Export) von
Entropie
20 erforderlich. Dies geschieht über den Stoffwechsel.
    Tiere nehmen energiereiche Nährstoffe wie Fett oder Glukose auf und bauen sie in energiearme Verbindungen wie Wasser und Kohlendioxid ab. Dabei wird sehr viel Energie freigesetzt, welche zur Aufrechterhaltung des entropiearmen Zustands im Inneren des Lebewesens eingesetzt werden kann.
    Übersteigt die innere Entropie des Lebewesens einen bestimmten Maximalwert, stirbt es. Sofort nach dem Tod zerfällt es, und die Entropie strebt einem Maximum zu.
    Vereinfacht könnte man sagen: Lebewesen erhalten ihre innere Ordnung auf Kosten einer zunehmenden Unordnung in ihrer Umgebung. Je mehr Energie ein Lebewesen verbraucht, desto mehr Unordnung schafft es (Neirynck 2006).
    Eine Sonderstellung nehmen in dieser Hinsicht die Viren ein (Küppers 1990: 199):
    Die einfachsten biologischen Objekte, die wir kennen, sind Viren. Diese erfüllen, da sie keinen autonomen Stoffwechsel besitzen, die Kriterien eines lebenden Systems nur innerhalb ihrer Wirtszelle. Außerhalb ihrer Wirtszelle verhalten sie sich dagegen ganz wie unbelebte Kristallstrukturen. Die Viren nehmen damit eine typische Zwitterstellung unter belebten und unbelebten Systemen ein, so dass die Vermutung nahe liegt, dass der Übergang vom Unbelebten zum Belebten fließend ist.
    In dem im Absatz
Was ist Leben?
auf Seite → vorgestellten Ansatz zur Charakterisierung lebender Systeme wird das Kriterium
Metabolismus
durch das allgemeinere Kriterium
Selbsterhaltungsinteresse
ersetzt: Lebewesen wollen sich selbsterhalten. Ob sie dies mithilfe eines autonomen Stoffwechsels tun, oder auf ganz andere Weise, spielt dabei keine Rolle.
Fähigkeit zur
Selbstreproduktion
(Fortpflanzung beziehungsweise Selbstreplikation)
Präziser müsste es heißen: Ein Lebewesen ist durch Selbstreproduktion aus anderen Lebewesen hervorgegangen.

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