Evolution, Zivilisation und Verschwendung
Begriff der Selektion wird im vorliegenden Buch wieder vorrangig so verwendet, wie er auch dem üblichen Sprachgebrauch entspricht.
Selektion
ist dementsprechend ein aktiver Vorgang 26 , bei dem aus verschiedenen Optionen eine oder mehrere ausgewählt werden. Ein
Selektionsinteresse
steht dagegen für etwas Passives, nämlich dem Wunsch, als eine von verschiedenen Alternativen gewählt (selektiert) zu werden.
In den folgenden Kapiteln wird noch von weiteren Interessen gesprochen, und zwar insbesondere von
Selbsterhaltungs-
und
Reproduktionsinteressen
. Lebewesen und Organisationssystemen (siehe Abschnitt
Soziale Systeme
auf Seite → ) geht es stets zunächst um den eigenen Selbsterhalt (
Selbsterhaltungsinteresse
). Ist dieser dann ausreichend gesichert, kann an die Reproduktion (bei Lebewesen: Fortpflanzung) gedacht werden (
Reproduktionsinteresse
). In beiden Fällen spielen auch die Begriffe Selektion und Selektionsinteresse eine Rolle. Nähert sich etwa ein Löwe einer Herde Gnus, dann wird er zunächst ein Tier für seine Jagd
selektieren
. Der Löwe hat Hunger, und als Folge seines Selbsterhaltungsinteresses sucht er nach geeigneter Nahrung. Das ausgewählte Gnu wird dem Löwen gegenüber ein negatives
Selektionsinteresse
besitzen, das heißt, es möchte auf keinen Fall vom Löwen selektiert und in der Folge dann auch erlegt und verspeist werden, denn es hat ja ein eigenes natürliches Selbsterhaltungsinteresse.
Etwas komplexer wird die Situation, wenn es um Reproduktionsinteressen geht. Beispielsweise könnte ein Löwenmännchen ein Weibchen selektieren, und es – jeglichen Widerstand ignorierend – dann auch schwängern. Das Selektionsinteresse des Weibchens kann in solchen Situationen negativ, neutral oder auch positiv sein.
Daneben hat sich in der Natur die sogenannte
sexuelle Selektion
durchgesetzt, auf deren enorme Bedeutung bereits Charles Darwin hinwies. In diesem Fall entspricht der Begriff Selektion tatsächlich dem allgemeinen Sprachgebrauch. Bei der sexuellen Selektion zeigen die Männchen ein Selektionsinteresse an (sie wollen von einem oder mehreren Weibchen erhört werden). Die eigentliche Selektion erfolgt dann auf Seiten der Weibchen.
Kommunikation wird im Rahmen des vorliegenden Buches stets als eine Interaktion verstanden, die vor allem dem Eigennutz dient, wobei es insbesondere um die Erfüllung von Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteressen geht. Die beiden auf den nächsten Seiten erläuterten Kommunikationsarten unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht, sehr wohl aber in der Methode, das angestrebte Ziel zu erreichen.
2.2 Dominante Kommunikation
Im Folgenden soll eine Kommunikation, die keine Rücksicht auf die Selektionsinteressen der Kommunikationspartner nimmt, als dominant bezeichnet werden.
Beispiel 1:
Ein Löwe erblickt ein Rudel Gnus und selektiert daraus ein Jungtier als seine mögliche nächste Mahlzeit. Das Gnu hat gegenüber dem Löwen ein negatives Selektionsinteresse (es möchte nicht selektiert werden). Dies interessiert den Löwen aber nicht. Er entscheidet ausschließlich gemäß seinen eigenen Selbsterhaltungsinteressen.
Beispiel 2:
Ein Gorillamännchen übernimmt nach einer kämpferischen Auseinandersetzung den Harem eines Rivalen. Die Selektionsinteressen der Weibchendes Harems (egal ob positiv, negativ oder indifferent) sind für ihn ohne Belang.
Beispiel 3:
Ein Steinzeitmann hat seit einiger Zeit ein Auge auf eine Steinzeitfrau geworfen. Bald erblickt er sie Pilze sammelnd im Wald. Er wirft sie über seine Schulter, trägt sie in seine Höhle, und in den nächsten 20 Jahren ist sie ihm eine treusorgende Frau und gebiert ihm 6 Kinder.
Wie schrecklich, werden Sie vielleicht sagen. Oder auch: wie romantisch! Denn immerhin wäre es ja möglich, dass auch unsere Steinzeitfrau längst ein Auge auf unseren Steinzeitmann geworfen hatte. Dies spielt aber für unsere Überlegungen keine Rolle, denn seine Selektion erfolgte ohne Rücksicht auf ihre Selektionsinteressen, und das ist letztlich entscheidend.
Beispiel 4:
Eine junge Frau passiert in recht knapper Kleidung eine Baustelle, woraufhin ihr einige Bauarbeiter nachpfeifen und schmutzige Dinge zurufen.
Das beschriebene Verhalten der Männer gilt in unserer Gesellschaft allgemein als unzivilisiert. Wie noch gezeigt wird, liegt das unter anderem an deren fehlender Rücksichtnahme auf die Selektionsinteressen der jungen Frau. Allerdings würden die Bauarbeiter vermutlich genau andersherum argumentieren: In
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