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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Evolutionstheorie und Selektionen
auf Seite → wird noch auf eine weitere wesentliche Funktion der Gefallen-wollenKommunikation hingewiesen, der auch im Rahmen des vorliegenden Buches eine herausragende Bedeutung zukommt: Sie erzeugt evolutive Infrastrukturen, das heißt, Populationen und ihre dazugehörigen selektiven primären Umwelten. Einmal auf den Weg gebracht, entwickelt sich dann in ihnen alles gemäß den Prinzipien der noch darzustellenden Systemischen Evolutionstheorie (siehe Abschnitt
Systemische Evolutionstheorie
auf Seite → ).
    Im Grunde genommen hat sich die Natur mit der Erfindung der sexuellen Selektion beziehungsweise der Gefallen-wollen-Kommunikation ein wenig aus sich selbst heraus gelöst. Ging es bei der Evolution des Lebens zunächst noch vorrangig um die optimale Anpassung an ein Milieu und den möglichst effizienten dominanten Zugriff auf die Ressourcen beziehungsweise das Überleben der Tauglichsten innerhalb einer wilden Natur, so steht nun die Adaption an den Geschmack und die Bedürfnisse einer Schar an Abnehmern (Selektierern) im Vordergrund 30 . Und deren Bedürfnisse sind alles andere als statisch: Mit viel Geschick können sie geweckt oder vielleicht sogar ganz neu erzeugt werden (Packard 1974). Die Gefallen-wollen-Kommunikation war folglich die Voraussetzung dafür, dass sich der Mensch die Erde untertan machen und seine eigene Welt schaffen konnte.
    Und damit bin ich bei einem ganz entscheidenden Punkt: Die Evolution lässt nicht nur Arten entstehen, sondern auch (artenübergreifende) Kommunikationsweisen 31 , Selektionsmechanismen und Verhaltensmuster (zum Beispiel Egoismus, Kooperation, Altruismus). So dürfte beispielsweise die Sexualität und hierbei insbesondere das der sexuellen Selektion innewohnende Interaktionsmuster der Gefallen-wollen-Kommunikation maßgeblich verantwortlich gewesen sein für viele spätere evolutionäre Entwicklungen. Anders gesagt: Ohne Sexualität, Getrenntgeschlechtlichkeit und Gefallen-wollen-Kommunikation hätten Kultur, Altruismus, Zivilisation, Höflichkeit, Demokratie,Marktwirtschaft, Werbung, Kunst, Wissenschaft und Technologie nicht entstehen können. Die Welt wäre dann beim
Fressen und Gefressen werden
geblieben 32 .
    Konrad Lorenz stuft die durch die Gefallen-wollen-Kommunikation (intraspezifische Selektion) bewirkten Selbstläufer- und Rückkopplungsprozesse dagegen als ausgesprochen schädlich ein (Lorenz 2005: 32f.):
    Ein spezieller Fall positiver Rückkopplung tritt dann ein, wenn Individuen derselben Art miteinander in einen Wettbewerb treten, der durch Selektion einen Einfluss auf ihre Entwicklung ausübt. Im Gegensatz zu der von außer-artlichen Umweltfaktoren verursachten, bewirkt die intraspezifische Selektion Veränderungen im Erbgut der betreffenden Art, die ihre Überlebensaussichten nicht nur nicht vermehren, sondern ihnen in den meisten Fällen deutlich abträglich sind. (…)
    Der Wettbewerb des Menschen mit dem Menschen wirkt, wie kein biologischer Faktor es vor ihm je getan hat, „der ewig regen, der heilsam schaffenden Gewalt“ direkt entgegen und zerstört so ziemlich alle Werte, die sie schuf, mit kalter Teufelsfaust, deren Tun ausschließlich von wertblinden, kommerziellen Erwägungen bestimmt ist.
    Was für die Menschheit als Ganzes, ja selbst, was für den Einzelmenschen gut und nützlich ist, wurde unter dem Druck zwischenmenschlichen Wettbewerbs bereits völlig vergessen. Als Wert wird von der erdrückenden Mehrzahl der heute lebenden Menschen nur mehr das empfunden, was in der mitleidslosen Konkurrenz erfolgreich und geeignet ist, den Mitmenschen zu überflügeln.
    Dazu ist jedoch das Folgende anzumerken:
Wie im Kapitel
Evolution
auf Seite → noch gezeigt wird, ist die intraspezifische Selektion – die Konkurrenz zwischen den Individuen innerhalb einer Art – eine zwangsläufige Begleiterscheinung der sexuellen Fortpflanzung im Tierreich 33 . Sie mag – wie Konrad Lorenz behauptet – die Überlebensaussichten einzelner Individuen mindern, für den Fortbestand einer biologischen Art dürfte sie aber eher günstig sein, sonst könnte sie sich nicht auf solch dominante Weise in der Natur durchgesetzt haben.
In vielen Populationen wird Evolution ganz entscheidend durch das Interesse von Individuen, sich selbst und die eigenen Kompetenzen beziehungsweise Adaptionen in Relation zur restlichen Population zu erhalten, bewirkt. Die jeweiligen Eigeninteressen der Individuen führen dann ganz automatisch zu einem

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