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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Konsequenzen hat, wenn erbliche Variation besteht und genügend Zeit vorhanden ist, so dass diese Konsequenzen kumulieren können.
    Und damit komme ich zu einem grundsätzlichen Problem der Darwinschen Evolutionstheorie: Die Theorie mag zwar – wie Dawkins behauptet – erstaunlich einfach sein, dennoch gibt es für sie bis heute keine allgemein akzeptierte Formulierung 100 . Die verschiedenen Fassungen von Dennett und Dawkins unterscheiden sich auch inhaltlich ganz erheblich von den Beschreibungen Mayrs. Und die für zusätzliche Irritationen sorgende unterschiedliche Interpretation des Fitnessbegriffs wurde bereits im Abschnitt
Fitness
auf Seite → eingehend besprochen.
    Ein Großteil der Missverständnisse rund um die Evolutionstheorie dürfte genau auf die gerade dargestellten Zusammenhänge und Formulierungen zurückzuführen sein. Auch dürfte der in der Evolutionsbiologie dominierende Replikatorenansatz, mit dem sich der nächste Abschnitt auseinandersetzen wird, letztlich daher rühren.
    Denn die obige verallgemeinerte Evolutionstheorie von Dennett hat ja vor allem eins getan: Sie hat den Evolutionsprinzipien den eigentlichen inneren Antrieb genommen. Alles das, was mit dem Leben zu tun hat, nämlich mit einem ernsthaften Bemühen darum, am Leben zu bleiben und sich fortzupflanzen, wurde aus den Theoremen entfernt. Übrig blieb die unterschiedliche Fähigkeit von Individuen, sich zu replizieren, die dann zwangsläufig etwas mit den Eigenschaften der Replikatoren selbst zu tun haben musste.
4.7 Wachstum
    Es wurde bereits im Abschnitt
Ausdifferenzierung
auf Seite → darauf hingewiesen, dass Lebewesen und Unternehmen – selbsterhaltende Systeme also – im Allgemeinen zu Wachstum tendieren, da sie hierdurch ihre Energieeffizienz – und damit ihren Selbsterhalt – oftmals signifikant verbessern können. Beispielsweise sinken in der Produktion von Waren bei steigenden Stückzahlen üblicherweise die Stückkosten, wodurch Unternehmen produktiver werden, und sie ihre Produkte und Dienstleistungen günstiger beziehungsweise gewinnreicher anbieten können.
    Bei Lebewesen spielt in diesem Zusammenhang das sogenannte Maßstabsgesetz – das sich mit der Größe verändernde Verhältnis von Oberfläche zu Volumen beziehungsweise Gewicht – eine entscheidende Rolle (Lavers 2003: 16f.): Die Oberfläche eines Lebewesens nimmt nämlich mit der Größe nicht genauso schnell zu wie das Volumen oder das Gewicht, was zur Folge hat, dass sein relativer Wärmeverlust mit zunehmender Größe zurückgeht. Speziell für Warmblüter wie Säugetiere oder Vögel dürfte dieser Umstand von großer Bedeutung sein.
    Tiere haben deshalb im Laufe der Evolution hin zu größerer Gestalt ihre Stoffwechselrate reduziert: Je größer das Tier, desto geringer der Umsatz pro Zelle (Lavers 2003: 31). Man könnte deshalb auch sagen: Größere Tiere wirtschaften relativ gesehen energieeffizienter als kleinere Tiere.
    Allerdings werden solche Vorteile mit den Nachteilen einer verringerten Beweglichkeit und Flexibilität erkauft (Lavers 2003: 37):
    Wenn das Körpergewicht sinkt, wird das Skelett nicht nur absolut, sondern auch relativ leichter – die Tiere werden lebhafter und beweglicher.
    Wie schon im Abschnitt
Leben und Energie
auf Seite → erwähnt wurde, können jagende Fleischfresser aus diesem Grund nicht die gleiche maximale Größe erreichen wie Pflanzenfresser ( GEOLino.de 2006; Lavers 2003: 15ff.). Mit zunehmender Größe dürfte aber auch die Anpassungsfähigkeit eines Systems an sich rasch verändernde Rahmenbedingungen zurückgehen, ein Zusammenhang, der auch aus der Unternehmenswelt her bekannt ist.
    Mit dem bisher Gesagten erklärt sich jedoch noch nicht, warum auch biologische Populationen eine Tendenz zum zahlenmäßigen Wachstum besitzen. Wir erinnern uns: Für Charles Darwin war die ständige Überproduktion von Nachkommen eine unabdingbare Voraussetzung für Evolution (Küppers 1990: 28; Lenzen 2003: 49; Mayr 2005: 148). Einen systemischen Grunddafür haben wir bereits im Abschnitt
Systemische Evolutionstheorie
auf Seite → kennengelernt: Der
Struktur- und Kompetenzerhalt
evolutionsfähiger Systeme. Das folgende Beispiel soll dies noch etwas präzisieren.
Beispiel:
    Stellen wir uns zwei sich asexuell fortpflanzende biologische Arten (Populationen) vor, die in einem gemeinsamen Lebensraum um die gleichen Ressourcen konkurrieren. Beide Populationen bestehen zu Beginn aus genau 3.000 Individuen, wobei jeweils 1.000

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