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Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Evolution, Zivilisation und Verschwendung

Titel: Evolution, Zivilisation und Verschwendung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Mersch
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Konzept dazu veranlassen könnte, die Analyse von Evolutionsprozessen stets mit einer Suche nach geeigneten Replikatoren zu beginnen, was aber in den meisten Fällen nicht zielführend sein dürfte.
    Andere Autoren, wie etwa Jablonka und Lamb (Jablonka/Lamb 2006), präferieren dagegen den Begriff des Vererbungssystems, der in vieler Hinsicht allgemeiner gefasst ist als der des Replikators. Ich werde darauf noch zurückkommen.
    Richard Dawkins erläutert die Hintergründe des Replikatorendenkens wie folgt (Dawkins 2007: 319f.):
    Was ist im Grunde so Besonderes an den Genen? Die Antwort lautet: die Tatsache, dass sie Replikatoren sind. Von den Gesetzen der Physik nimmt man an, dass sie im gesamten bekannten Universum gelten. Gibt es irgendwelche Grundsätze der Biologie, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie eine ähnlich universelle Gültigkeit besitzen? Wenn Astronauten auf der Suche nach Leben zu fernen Planeten reisen, so können sie erwarten, Lebewesen vorzufinden, die zu fremd und zu unirdisch sind, als dass wir sie uns vorstellen könnten. Aber gibt es nicht irgendetwas, das für alles Leben gelten muss, wo immer es auch gefunden werden mag und was auch immer seine chemischen Grundbausteine sein mögen? Wenn Lebensformen bestehen, deren chemische Struktur auf Silikon aufbaut und nicht auf Kohlenstoff, oder auf Ammoniak und nicht auf Wasser, wenn Geschöpfe entdeckt werden, die bei minus 100 Grad Celsius zu Tode sieden, wenn eine Form von Leben gefunden wird, die überhaupt nicht auf Chemie beruht, sondern auf elektronischen Schwingkreisen, wird es dann immer noch irgendein allgemeines Prinzip geben, das auf alles Leben zutrifft? Es ist offensichtlich, dass ich das nicht wissen kann, doch wenn ich mich für etwas entscheiden müsste, dann gibt es ein Grundprinzip, auf das ich setzen würde. Nämlich auf das Gesetz, dass alles Leben sich durch den unterschiedlichen Überlebenserfolg sich replizierender Einheiten entwickelt. Das Gen, das Stückchen DNA, ist zufällig die Replikationseinheit, die auf unserem eigenen Planeten überwiegt. Es mag andere geben. Wenn es andere gibt, so werden sie – vorausgesetzt bestimmte zusätzliche Bedingungen sind erfüllt – fast unweigerlich zur Grundlage für einen evolutionären Prozess werden.
    Doch müssen wir uns in fremde Welten begeben, um andere Replikatortypen und andere, daraus resultierende Arten von Evolutionen zu finden? Ich meine, dass auf diesem unserem Planeten kürzlich eine neue Art von Replikator aufgetreten ist. Zwar ist er noch jung, treibt noch unbeholfen in seiner Ursuppe herum, aber er ruft bereits evolutionären Wandel hervor, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die das gute alte Gen weit in den Schatten stellt.
    Wenn ich mich für ein Grundprinzip, das auf alles Leben zutrifft, entscheiden müsste, dann würde ich auf den Willen von Lebewesen, sich selbstzuerhalten und zu reproduzieren, setzen. Die Kernaussage Richard Dawkins ist dagegen: Replikatoren und deren unterschiedlicher Fortpflanzungserfolg sind die Grundlage des Lebens und der damit verbundenen evolutiven Prozesse 101 . Für ihn begann mit dem Aufkommen von Replikatoren die Evolution des Lebens (Dawkins 2007: 56):
    Irgendwann bildete sich zufällig ein besonders bemerkenswertes Molekül. Wir nennen es Replikator . Es war vielleicht nicht unbedingt das größte und komplizierteste Molekül ringsumher, aber es besaß die außergewöhnliche Eigenschaft, Kopien seiner selbst herstellen zu können.
    Lebewesen stellen für Dawkins dagegen nur eine vergleichsweise sekundäre Erscheinung dar (Dawkins 2007: 63):
    Die Replikatoren fingen an, nicht mehr einfach zu existieren, sondern für sich selbst Behälter zu konstruieren, Vehikel für ihr Fortbestehen. Es überlebten diejenigen Replikatoren, die um sich herum Überlebensmaschinen bauten.
    Bei der biologischen Evolution sollen gemäß Dawkins die Replikatoren die Gene sein, bei der kulturellen die Meme (siehe dazu auch die Ausführungen im Abschnitt
Meme
auf Seite → ). Konkurrenz entsteht demgemäß vor allem auf der Ebene der „egoistischen“ Replikatoren, während sich das Verhalten von Individuen beziehungsweise von Gen-Überlebensmaschinen sehr weit über die darin zum Ausdruck kommenden Eigeninteressen der in ihnen wirkenden Replikatoren erklären lässt (Dawkins 2007: 327f.):
    So wie es sich als brauchbar erwiesen hat, dass wir uns die Gene als aktive Handlungsträger vorstellten, die zielbewusst auf ihr eigenes Überleben

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