Evolution, Zivilisation und Verschwendung
vielleicht auch so sein. Auf diese Weise werden Verhaltensweisen imitiert, und die Botschaft – hinter der sich fast immer andere Interessen verbergen – kommt an.
Bereits erwähnt wurde die Möglichkeit, die eigenen Interessen mit weiteren – und gegebenenfalls machtvolleren – Interessen zu verbinden. Kulturprodukte lassen sich – trotz Internet, YouTube, MySpace und Books on Demand – noch immer dann am Besten verbreiten, wenn jemand an der Distribution ein eigenständiges wirtschaftliches Interesse besitzt.
Natürlich muss am Ende immer der Empfänger entscheiden, welche der angebotenen Alternativen ihm genehm erscheinen, so dass sie zur Aufnahme beziehungsweise Imitation in Frage kommen. Ausschlaggebend dürfte ganz oft die Frage sein, ob die Verinnerlichung einer angebotenen Mitteilung (eines Kultur-Mems) dem eigenen Selbsterhaltungs- beziehungsweise Reproduktionsinteresse dienlich ist oder nicht.
Oft lassen sich die potenziellen Empfänger beziehungsweise Käufer dabei von den Entscheidungen anderer (= Imitation der Selektionsentscheidungen anderer) oder irgendwelchen Benchmarks leiten, zum Beispiel in der folgenden Weise:
Ich kaufe ein Buch, weil
es in der Spiegel-Bestsellerliste ist.
der Autor allgemein bekannt ist.
es unlängst einen Preis gewonnen hat.
es von Marcel Reich-Ranicki oder Elke Heidenreich empfohlen wurde.
es in mehreren wichtigen Zeitschriften gute Kritiken bekommen hat.
es Eva Herman auch gelesen hat.
es mir meine beste Freundin empfohlen hat.
es bei Amazon 287 positive Rezensionen erhalten hat.
Unter
Qualia
versteht man den subjektiven Erlebnisgehalt mentaler Zustände, das heißt, die besondere Qualität der subjektiven Wahrnehmung und des Empfindens (Radermacher 2007: 136). Solche Erlebnisgehalte dürften aber bereits für die effiziente Selbststeuerung im Dienste der eigenen Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteressen von Nutzen sein. Anders gesagt: Qualia helfen dem Individuum, sich im Sinne der eigenen Interessen selbst zu lenken.
Bei der Gefallen-wollen-Kommunikation kommt es vor allem darauf an, mit eigenen Selektionsinteressen in fremde Gehirne zu gelangen und dort positive Selektionsentscheidungen auszulösen, das heißt Qualia zu erzeugen,die den dortigen Selbsterhaltungs- und Reproduktionsinteressen entsprechen. Geht es bei der dominanten Kommunikation vor allem um die „Eroberung“ der Natur, so steht bei der Gefallen-wollen-Kommunikation die Überzeugung (Eroberung) fremder Gehirne im Vordergrund.
Dies gelingt natürlich umso leichter, je mehr die eigenen Selektionsinteressen gleichzeitig mit weiteren Botschaften verknüpft sind, die auf der Empfängerseite schon für sich allein für positive Qualia sorgen.
Dies dürfte dann auch einer der entscheidenden Gründe dafür sein, warum sich beispielsweise ein mittelmäßiges Buch eines bekannten Autors etwa über die Kunst, Kaffee zu kochen, viel häufiger verkaufen lässt, als ein viel informativeres Buch zum gleichen Thema einer unbekannten Autorin.
Entsprechendes gilt natürlich auch für Sie als Autor. Sollten Sie sich irgendwann einmal mit Ihren Büchern einen Namen gemacht haben, dann wird man ihre weiteren Romane fast unbesehen kaufen, denn Ihr Name ist ja nun mit positiven Gefühlen besetzt.
4.22 Technische Evolution
Auch die Technik scheint sich gemäß den Gesetzen der Evolution zu entwickeln. Jacques Neirynck beschreibt das Phänomen wie folgt (Neirynck 2006):
Wie eine Vielfalt von Beobachtern bemerkt hat, entwickelt sich dieses System autonom, nach eigenartigen Gesetzen. Ein Gerät lässt sich nur verkaufen, wenn es Spitzentechnologie darstellt. Es veraltet bereits, bevor es auch nur eine Panne gab. Der Hersteller beendet die Wartung, sobald er eine neue Version auf den Markt bringt. Austauschteile werden nicht hergestellt. Ein defekter Apparat wird mitleidslos verworfen, denn seine Reparatur würde in Handarbeit mehr als den Preis des Nachfolgegerätes kosten. Was sich am Fließband durch Roboter montieren lässt, kann nicht von Menschen repariert werden. Das nachfolgende Gerät gehorcht anderen Befehlen als das vorherige. Es wird defekt oder ist nicht mehr up-todate, bevor man sich mit seinem Umgang vertraut gemacht hat.
Alles spielt sich so ab, als ob die wachsende Zahl von Geräten durch eine andere, von uns verschiedene menschliche Art hergestellt würde, unfähig, mit uns zu kommunizieren (…).
Doch welcher Mechanismus steckt dahinter? Wie kann fast wie von Geisterhand aus einem erst
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