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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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erodierten Kanals, der in eine Schlucht
mündete. Sie hatten Unterkünfte an den Klippen errichtet,
bloße Sonnensegel aus Tierhaut- oder Rattanplanen, die auf
Holzgestelle gespannt waren. Im Gegensatz zu Kieselsteins längst
untergegangener Siedlung war dies keine feste Ansiedlung. Dafür
gab das Land nicht genug her. Dies war die vorläufige Heimat
nomadischer Jäger und Sammler, die es bei der Verfolgung ihrer
Nahrungsquelle hierher verschlagen hatte. Die Leute waren seit einem
Monat hier.
    Der Standort hatte allerdings auch seine Vorteile. Es floss ein
Fluss vorbei, das hiesige Gestein eignete sich gut für die
Werkzeugfertigung, und es war auch ein Wald in der Nähe, der als
eine Quelle für Feuerholz, Rinde, Laub, Lianen und Ranken
für Kleidung, Netze und andere Werkzeuge und Gegenstände
diente. Und der Ort war auch ein guter Hinterhalt für die Tiere,
die nichts ahnend zur Schlucht kamen, um dort zu trinken. Trotzdem
war die Ausbeute der Gegend schlecht gewesen. Das Lager war desolat,
und die unterernährten Leute vermochten sich kaum noch zu etwas
aufzuraffen. Sie würden wahrscheinlich bald weiterziehen
müssen.
    Mutter stolperte heimwärts. Drei Wasservögel hatte sie
sich an einer Lederschnur um die Schultern gehängt. Die
Kopfschmerzen waren nun akut, und jede Oberfläche schien
gleißend hell zu sein und in seltsamen Farben zu leuchten. Das
menschliche Gehirn hatte sich im letzten Jahrtausend vor der Geburt
von Mutters Urahnin Harpune spektakulär aufgebläht. Diese
hastige Neuverkabelung hatte unerwartete Vorzüge, wie Mutters
Fähigkeit zu strukturiertem Denken und Handeln, aber auch
Nachteile wie die lästige Migräne.
    »… Hey, hey! Speer Gefahr Speer!«
    Sie schaute sich trübe um.
    Zwei jüngere Männer starrten sie an. Sie trugen um den
Körper gewickelte Häute, die sie mit Sehnen festgebunden
hatten. Beide hielten sie grob geschnitzte Holzspeere mit
feuergehärteten Spitzen in der Hand. Sie hatten die Speere gegen
eine Ochsenhaut geschleudert, die sie über die Äste eines
Baums gespannt hatten. Mutter wäre ihnen, abgelenkt durch die
Schmerzen und die seltsamen Lichter, beinahe in die Wurfbahn
gelaufen.
    Sie musste warten, bis die Speerwerfer ihren Wettkampf beendet
hatten. Keiner der beiden Männer war sonderlich geschickt, und
ihre Lederkluft war auch ziemlich schäbig. Nur ein Speer hatte
sich bisher durch die Haut in den Baum gebohrt, und die anderen lagen
auf dem Boden verstreut.
    Aber sie sah, dass einer der Jäger den Speer immerhin mit
mehr Kraft warf. Der Junge hielt den Speer sehr weit hinten am Schaft
und versuchte mit dem knochigen Arm eine maximale Hebelwirkung zu
erzielen. Den für sein Alter großen, gertenschlanken
Jungen stellte sie sich als Schössling vor, der dem Sonnenlicht
entgegenstrebte. Wenn Schössling den Speer warf, flog er
zischend und leicht zitternd durch die Luft. Die Bewegung des Speers
war sehr interessant. Beim Versuch, ihn mit den Augen zu verfolgen,
schmerzte der Kopf aber nur noch heftiger.
    Als die Speerwerfer fertig waren, stolperte sie weiter und
verkroch sich im Schatten der Behausung, die sie mit ihrem Sohn
teilte.
    In Mutters Hütte war eine korpulente Frau im Alter von
fünfundvierzig Jahren. Sie hatte zotteliges, graumeliertes Haar
und ein gewohnheitsmäßig verkniffenes und missmutiges
Gesicht. Diese Frau, Sauer, zerstampfte mit einem Stößel
eine Wurzel. Sie schaute Mutter mit dem obligatorischen feindseligen
Ausdruck an. »Essen, Essen?«
    Mutter machte eine vage Handbewegung, ohne weiter auf Sauer
einzugehen. »Vögel«, sagte sie.
    Sauer legte den Stampfer und die Wurzel hin und ging nach
draußen, um die Vögel zu begutachten, die Mutter
mitgebracht hatte.
    Sauer war Mutters Tante. Ihre Verbitterung rührte daher, dass
sie ihr zweites Kind ein paar Tage nach der Geburt durch eine
unbekannte Krankheit verloren hatte. Sie würde die Vögel
wahrscheinlich stehlen und Mutter und Still nur einen kleinen Teil
dessen geben, was sie mit nach Hause gebracht hatte. Jedoch hatte
Mutter derartige Kopfschmerzen, dass es ihr im Moment egal war.
    Sie versuchte, sich auf ihren Sohn zu konzentrieren. Er war ein
kränklicher Junge von acht Jahren; er saß mit dem
Rücken zum schräg abfallenden Dach und hatte die Beine an
die Brust gezogen. Mit einem Zweig schob er einen anderen Zweig
über den Erdboden. Mutter setzte sich neben ihn und zauste ihm
das Haar. Er schaute mit einem schläfrigen Blick zu ihr auf. Er
verbrachte viel Zeit auf diese Art – still

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