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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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versammelt. Man hatte
Hütten am Ufer errichtet, Pyramiden aus Speeren und Bögen
gebaut und sogar schon ein großes Megaloceros-Männchen
erlegt. Die Leute hatten sich mit farbenfrohen Mustern aus Ocker und
Pflanzenfarben bemalt. Die Muster hatten gemeinsame Elemente, die die
Einheit des Clans unterstrichen und durch Variantenreichtum und
Phantasie zugleich von der Identität und Kraft der verschiedenen
Gruppen kündeten.
    Ungefähr fünfhundert Leute würden sich
wahrscheinlich zu dieser Zusammenkunft einfinden – nicht dass
jemand sie gezählt hätte. Das würde etwa die
Hälfte aller Leute auf dem Planeten ausmachen, die eine Sprache
sprachen, die der von Rood auch nur entfernt ähnelte.
    Die Gruppe aus der Heimat, die Rood und Olith begleitet hatte,
schwärmte aus. Viele suchten nach einem Partner: vielleicht nur
für eine Frühlings-Romanze, vielleicht aber auch mit der
Perspektive für eine langfristige Beziehung. Diese ein paar Tage
dauernde Zusammenkunft war die einzige Gelegenheit, jemand anderen
kennen zu lernen oder sich zu vergewissern, ob das dürre Kind,
an das man sich noch vom letzten Jahr erinnerte, schon in der Art und
Weise erblüht war, wie man sich das vorstellte.
    Rood erspähte eine Frau namens Dela. Sie war rund und drall,
lachte laut und war eine vorzügliche Großwildjägerin.
In jüngeren Jahren war sie eine Schönheit gewesen, mit der
Rood ein paar Mal beieinander gelegen hatte. Wie er sah, hatte sie
– typisch – ein großes Zelt aus Tierhaut
aufgeschlagen, die mit bunten, lebendigen Darstellungen laufender
Tiere bemalt war.
    Rood und Olith gingen am Ufer entlang. Dela begrüßte
ihn mit einer Umarmung und einem herzhaften Klaps auf den
Rücken, und dann servierte sie ihnen Rindentee und Obst. Dela
musterte Olith, wobei sie sich offensichtlich fragte, was mit Mesni
war; aber sie sagte nichts.
    Ein großes Feuer loderte schon auf der offenen Fläche
vorm Zelt, und jemand warf Fischtran hinein, sodass es laut knisterte
und knackte. Es waren Delas Leute, die den Megaloceros mitgebracht
hatten. Kräftige junge Frauen weideten den Kadaver aus, und die
Luft war vom Geruch nach Blut und Kot erfüllt.
    Rood und Olith setzen sich mit Dela an ein kleines Feuer. Dela
fragte Rood, wie erfolgreich die diesjährige Jagd bisher gewesen
sei, und er antwortete höflich. Sie sprachen darüber, wie
die Jagdsaison sich dieses Jahr angelassen hatte, wie die Tiere sich
verhielten, welche Schäden die Winterstürme angerichtet
hatten, wie hoch die Fische sprangen und darüber, dass jemand
eine Möglichkeit gefunden hatte, eine Bogensehne so zu
behandeln, dass sie haltbarer wurde und dass jemand anders auf die
Idee gekommen sei, Mammut-Elfenbein in Urin zu tränken, sodass
man es gerade zu klopfen vermochte.
    Die Versammlung diente dem Austausch von Informationen,
Nahrungsmitteln, Bedarfsgütern und als Partnersuche. Die Redner
schmückten Erfolge nicht aus und beschönigten auch keine
Fehlschläge. Wenn sie etwas zu sagen hatten, taten sie das nach
bestem Wissen und in allen Details und ließen auch Fragen
anderer Gesprächsteilnehmer zu. Was zählte, war
Genauigkeit, nicht Prahlerei. Für Leute, deren Überleben
von Kultur und Wissen abhing, waren Informationen nicht mit Gold
aufzuwiegen.
    Schließlich kam Dela aber auf das Thema zu sprechen, das ihr
sichtlich am Herzen lag.
    »Und Mesni?«, fragte sie vorsichtig. »Ist sie zu
Hause bei den Kindern geblieben? Jahna muss doch schon groß
geworden sein.«
    »Nein«, sagte Rood sanft und spürte, wie Olith
seine Hand ergriff. Dela lauschte schweigend, als er in allen
schmerzlichen Einzelheiten erzählte, wie er seine Kinder im
Schneesturm verloren hatte.
    Als er geendet hatte, nahm Dela mit abgewandtem Blick einen
Schluck Tee. Rood hatte das unbestimmte Gefühl, dass sie etwas
wusste, aber nicht damit rausrückte.
    Um das Schweigen zu brechen, erzählte Dela schließlich
die Geschichte ihres Lands.
    »Und dann fielen die beiden im Schnee verlorenen Brüder.
Einer starb. Doch der andre stand wieder auf und trauerte um seinen
Bruder. Und dann sah er einen Fuchs, wie er etwas unter einem
Baumstamm vergrub. Das weiße Fell verschmolz fast mit dem
Schnee. Der Fuchs ging fort. Aber der Bruder wusste, dass ein Fuchs
zur Stelle zurückkehrt, wo er etwas vergraben hat. Also legte er
eine Schlinge aus und wartete. Als der Fuchs zurückkam, fing der
Bruder ihn. Doch bevor er ihn noch zu töten vermochte, sang der
Fuchs ihm ein Lied. Es war ein Klagelied für den

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