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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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Augen verschärfte das Christentum
dieses Problem nur noch.
    »Der Heilige Augustin hatte uns bereits davor gewarnt, dass
der Glaube an die alten Mythen schwindet – schon vor anderthalb
Jahrhunderten, als die Lehre der Christen gerade erst Wurzeln schlug.
Und mit dem Verlust der Mythen verschwindet auch das Wissen von
tausend Jahren, das in diesen Mythen kodifiziert ist, und die starren
Dogmen der Kirche werden einen echten Erkenntnisgewinn für die
nächsten tausend Jahre verhindern. Das Licht erlischt, Athalarich.«
    »Dann übernehmt Ihr das Bischofsamt«, sagte
Athalarich eindringlich. »Schützt die Klöster.
Gründet ein eigenes, wenn Ihr müsst! Und in der Bibliothek
und im scriptorium mögen die Mönche die großen
Schriften bewahren und abschreiben, bevor sie verloren
sind.«
    »Ich kenne diese Klöster«, spie Honorius
förmlich aus. »Die großen Werke der Vergangenheit
abschreiben zu lassen, als seien sie Zaubersprüche, und noch
dazu von Tölpeln, in deren Köpfen Gott herumspukt –
pah! Dann würde ich sie eher selbst verbrennen.«
    Athalarich unterdrückte ein Seufzen. »Augustinus fand
Trost in seinem Glauben, musst du wissen. Er glaubte, das Imperium
sei von Gott erschaffen worden, um die Botschaft Christi zu
verbreiten – wie konnte Er es also zulassen, dass es
zusammenbrach? Augustinus gelangte jedoch zu der Überzeugung,
dass die Geschichte einen göttlichen und keinen weltlichen Zweck
habe. Und dass der Fall von Rom deshalb auch keine Rolle
spiele.«
    Honorius betrachtete ihn listig. »Wenn du nun ein Diplomat
wärst, würdest du mich darauf hinweisen, dass der arme
Augustinus gerade zu der Zeit gestorben sei, als die Vandalen
Nordafrika heimsuchten. Und du würdest sagen, dass, wenn er
seine Aufmerksamkeit mehr den weltlichen als den geistigen Dingen
gewidmet hätte, er vielleicht noch etwas länger gelebt und
mehr Zeit für seine Studien gehabt hätte. Das solltest du sagen, wenn du mich dazu überreden willst, das
verdammte Bischofsamt anzunehmen.«
    »Es freut mich, dass Eure Stimmung sich wieder hebt«,
sagte Athalarich trocken.
    Honorius berührte seine Hand. »Du bist ein guter Freund,
Athalarich. Ein besserer, als ich ihn verdiene. Aber ich werde das
Geschenk deines Onkels, das Amt eines Bischofs, trotzdem nicht
annehmen. Gott und Politik sind nicht meine Passion; ich will mich
weiter den Knochen widmen und ansonsten dem Müßiggang
frönen… Wir sind gleich da!«
    Sie hatten die Abbruchkante der Klippe erreicht.
    Zu Honorius’ Leidwesen war der Pfad, an den er sich
erinnerte, überwuchert. Zumal es sich ohnehin um kaum mehr als
einen Sims im mürben Gestein der Klippe handelte, der vielleicht
von Ziegen oder Schafen ausgetreten worden war. Die Milizionäre
beseitigten mit ihren Speeren Unkraut und Gräser. »Es ist
schon viele Jahre her, seit ich zuletzt hier war«, sagte
Honorius atemlos.
    »Mein Herr, damals wart Ihr jünger, viel
jünger«, sagte Athalarich ernst. »Ihr müsst gut
aufpassen beim Abstieg.«
    »Was kümmert mich die Beschwernis? Athalarich, wenn der
Pfad zugewachsen ist, ist er nicht mehr benutzt worden, seit ich zum
letzten Mal hier war, und wenn die Knochen, die ich gefunden habe,
noch unberührt sind – verglichen damit wäre alles
andere eine Nichtigkeit. Sieh, der Skythe hat sich schon an den
Abstieg begeben, und ich will seine Reaktion sehen… Komm,
komm!«
    Die Gruppe formierte sich zu einer Linie und ging im
Gänsemarsch vorsichtig den gefährlichen Pfad hinab.
Honorius bestand darauf, allein zu gehen – der Pfad war ohnehin
so schmal, dass zwei Leute kaum nebeneinander zu gehen vermochten
–, doch Athalarich ging voran, sodass er den alten Mann
wenigstens aufzufangen vermocht hätte, falls er fiel.
    Sie erreichten eine Höhle im weichen Kalksandstein und
schwärmten aus. Die Milizionäre stocherten mit den Speeren
an den Wänden und auf dem Boden herum.
    Athalarich betrat vorsichtig die Höhle. Der Boden im Bereich
des Eingangs war von Guano fast weiß gefärbt und mit
Eierschalen übersät. Die Wände und der Boden waren
fast glatt geschliffen, als ob Tiere oder Menschen hier ein- und
ausgegangen wären. Athalarich stieg ein starker tierischer
Geruch in die Nase, vielleicht von Füchsen, aber er war schal.
Offenbar hatte sich außer den Seevögeln seit langer Zeit
niemand hier aufgehalten.
    Doch genau an dieser Stelle hatte ein jüngerer Honorius die
kostbaren Gebeine gefunden.
    Honorius streifte in der Höhle umher, inspizierte den Boden
und räumte

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