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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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und Ausschnitte eines blauweißen Himmels
darüber. Ein Wald?
    Der Beton der Treppe war – sofern er noch freilag – an
den Stellen braun gefärbt, wo das Geländer verrostet und
abgebrochen war. Und als Snowy das Gewicht zu nah an die Kante einer
Stufe verlagerte, zerbröselte der Beton. Die Stufen selbst waren
unter einem Gewirr aus Moos, Laub und Schutt aller Art kaum zu sehen.
Snowy wollte das Zeug zuerst beseitigen und stellte dann fest, dass
es aus einer Mulchschicht auf dem Beton wuchs.
    Also ignorierte er das Gewirr und ging unverdrossen die Treppe
hinauf.
    Schließlich stand er auf dem laubbedeckten Erdboden. Er
schnaufte angestrengt. Offenbar hatte der Kälteschlaf ihn doch
stärker ausgezehrt, als er erwartet hätte. Die anderen
folgten ihm der Reihe nach und klopften sich Laub, Moos und Mulch von
der Kombination.
    Der Wald bestand aus hohen Bäumen, deren tief hängende
Äste dicht mit Blättern besetzt waren. Eichen vielleicht.
Es ging ein Wind, der Snowy warme Luft ins Gesicht fächelte. Es
schien später Frühling oder Frühsommer zu sein. Die
Luft roch frisch, nach nichts anderem als Wald und Natur pur.
    Die Grube war in den Boden versenkt und halb durch einen
großen Betondeckel verborgen. Doch der Deckel war nun
schräg angehoben, gesprungen und Pflanzen wuchsen aus der
Oberfläche.
    Ahmed trug einen kleinen schwarzen Tornister. Es war ein
Funkgerät, das wie die Pistolen in Öl gelagert gewesen war.
Nun schaltete er es ein, zog die Antenne aus und ging auf der
Lichtung umher.
    Moon und Bonner wirkten sehr jung und ängstlich, verloren im
grünen Zwielicht.
    Sidewise kam zu Snowy. Verdrießlich trat er gegen den
Betonpanzer. »Es ist erstaunlich, dass die Stromversorgung nach
dieser Zeit noch funktioniert.«
    »Als ob wir gerade aus Tschernobyl gekrochen
wären«, sagte Snowy.
    »Ich glaube nicht, dass Tschernobyl überhaupt noch ein
Problem ist.«
    »Was?«
    »Snow, was glaubst du, wie lang wir in diesem Loch gesteckt
haben?«
    »Mehr als fünfzig Jahre?«, riet Snowy.
    Sidewise grunzte. »Schau dich doch mal um, Kumpel. Diese
Bäume sind Eichen. Und schau dir das an.« Er
führte Snowy zu einem umgestürzten Baum. Der Baum war
vielleicht einen Meter überm Boden abgebrochen. Der
umgestürzte Baumstamm war fast auf ganzer Länge mit
Grün überwuchert, und dicke tellerartige Pilze klebten wie
ins Holz gerammte Scheiben an der Oberseite. »Snow«, sagte
Sidewise, »du bist von einem alten Wald umgeben. Das sind alte Bäume. Dieser hier ist aus Altersschwäche
umgestürzt und nicht gefällt worden. Komm schon, Snow. Du
erinnerst dich doch noch an die Ökologiekurse während der
Ausbildung? Was passiert, wenn eine Waldlichtung sich selbst
überlassen wird?«
    Die Gräser und Kräuter wären die ersten, die den
leeren Raum kolonisierten. Nach etwa einem Jahr würden Kiefern-
und Birkenschösslinge und andere Laubbäume aus den im Boden
verbliebenen Samen und aus Baumstümpfen sprießen. Und wenn
es erst einmal einen gewissen Frostschutz gab, würden Fichten
und Walnussbäume Fuß fassen. In dem Maß, wie die
Bedingungen sich änderten, würden verschiedene Arten um
Licht und Raum konkurrieren. Nach vielleicht fünfzig Jahren,
wenn der sich erholende Wald dunkler wurde, würden die
Gräser am Boden Nachtschattengewächsen wie Himbeeren und
Moosen weichen. Und dann erst würden die Eichen
zurückkehren.
    Snowy hatte sich in der Schule, während der Ausbildung und
auch später, nur wenig für diese Materie interessiert.
Dieser Ökokram war nämlich so deprimierend, nichts als
Verlustlisten von Tierarten. Aber – wie lange?
    Sidewise stocherte auf dem am Boden liegen Baumstamm herum.
»Schau dir diese Bryophyten an – die Moose und das
Lebermoos – und die Flechten, Pilze und
Insektenlöcher… in unsrer Zeit war der Anblick eines toten
Baumstamms so selten wie ein Wolf, musst du wissen.«
    »In unsrer Zeit?«
    Ahmed hatte seine Wanderung über die Lichtung beendet.
»Nichts«, sagte er. »Keinen Piep auf irgendeiner
Frequenz. Nicht einmal GPS.«
    »Vielleicht ist das Gerät ausgeschaltet«, sagte
Moon.
    Ahmed drückte einen grünen Knopf am Gerät.
»Der Selbsttest war erfolgreich.«
    »Was sollen wir nun tun?«, fragte Bonner.
    Ahmed straffte sich. »Wie sichern unser Überleben. Wir
verlassen diesen verdammten Wald. Und suchen jemanden, dem wir
Meldung machen.«
    Snowy nickte. »Welche Richtung?«
    »Die Karten«, sagte Bonner plötzlich.
    Sie besannen sich wieder auf ihre Ausbildung und eilten zur

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