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Evolution

Evolution

Titel: Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
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nun wurde ihre einsame blaue Welt gestört. Eine
gewaltige Strömung zog das Meer nach Süden.
    Die Schildkröte tauchte mit heftigen Paddelbewegungen ab. Die
durch Tropenstürme von Jahrmillionen geschärften Instinkte
sagten ihr, was sie tun musste: zum Meeresboden hinuntertauchen und
Schutz suchen.
    Doch war dies keine Strömung, wie sie sie bisher erlebt
hatte. Sie sah, dass auch viel größere Tiere – sogar
riesige Pliosaurier –, die im schlammigen und aufgewühlten
Wasser trieben, in diesen starken Strudel gezogen wurden. Beim
Tauchen stieß sie mit Schutt, hilflosen Ammoniten, Muscheln,
Kalmaren und sogar mit Steinen vom Meeresboden zusammen.
    Schließlich traf sie auf weichen Schlick. Mit allen vieren
grub sie sich in den Boden und ignorierte dabei den Hagel der
Objekte, die ihr auf den Panzer prasselten. Irgendwann würde sie
wieder an die Oberfläche zurückkehren müssen, um sich
der Luft und Wärme auszusetzen. Damit vermochte sie sich aber
viel Zeit zu lassen; vielleicht sogar so lang, bis dieser ungeheure
Sturm abgeflaut war.
    Doch plötzlich senkte die schimmernde Meeresoberfläche
sich zu ihr herab – das Meer versickerte –, und sie
hockte in feuchtem blubberndem Schlick und wurde von der Sonne
beschienen. So etwas wie ein Schock durchfuhr ihr trübes
Bewusstsein. Die Welt war auf den Kopf gestellt worden. Das ergab
keinen Sinn.
    Und nun wurde der trockengefallene schlammige Meeresboden
erschüttert.
     
    Im wabernden fremdartigen Licht sah Suchomimus endlich das Meer.
Mit einem heiseren Schrei der Erleichterung rannte er darauf zu.
    Aber das Meer zog sich vor ihm zurück und hinterließ
nur feucht glitzernden Schlick. Und so schnell er auch lief, das Meer
wich noch schneller zurück.
    Ein Fisch fiel ihm vor die Füße. Er blieb stehen, hob
ihn vom Boden auf und steckte ihn sich in den Mund. Das winzige
Bewusstsein des Fischs signalisierte eine Art Erleichterung; dies war
ein schneller Tod verglichen mit dem qualvollen Ersticken, das ihm am
neuen Strand gedroht hätte.
    Der Meeresboden, der seit Jahrmillionen zum ersten Mal freigelegt
wurde, war ein glitzernder Tummelplatz des Lebens. Er wimmelte von
Muscheln, Krustentieren, Kalmaren, Fischen und Ammoniten in allen
Größen, die nun an der Luft erstickten.
    Weiter südlich waren riesige Gestalten zu erkennen.
Suchomimus sah einen Plesiosaurier, der wie die anderen gestrandet
war. Der acht Meter lange Koloss lag nach Luft schnappend im Schlick.
Die vier großen Flossen waren abgespreizt. Der tonnenschwere
Fleischfresser warf sich mit peitschenden Flossen herum und schnappte
mit rasiermesserscharfen Zähnen zornig ins Leere – nach dem
Schicksal, das ihn hier hatte stranden lassen.
    An jedem anderen Tag wäre er ein bemerkenswerter Anblick
gewesen. Suchomimus drehte sich verwirrt um.
    Er schaute nach Norden zum Festland und sah Tiere aus den
verwüsteten Wäldern aufs windgepeitschte Marschland
kriechen. Viele waren Ankylosaurier und andere gepanzerte
Geschöpfe. Sie waren bisher von der schweren Panzerung
geschützt worden, die sie sich zugelegt hatten, um sich der
Zähne und Klauen der Tyrannosaurier zu erwehren. Nun krochen sie
dem freigelegten Meeresboden entgegen, um dort Schutz zu suchen, zu
saufen und zu fressen.
    Plötzlich öffneten die Ankylosaurier die Mäuler und
zogen sich wieder zurück. Suchomimus schaute ihnen
verblüfft nach. Sie bellten, aber das hörte er nicht.
    Was zuvor mit der Luft geschehen war, widerfuhr nun auch dem
Wasser.
    Von der Einschlagstelle breitete sich eine kreisrunde Druckwelle
im Meer aus, die durch einen gewaltigen Wärmepuls gespeist
wurde. Ihre zerstörerische Kraft war aber begrenzt, weil der
Einschlag nicht in der Tiefsee erfolgt war. Dennoch war die Welle
ungefähr dreißig Meter hoch, als sie sich der
Küstenlinie von Nordamerika näherte. Als sie die flachen
Gewässer vor der texanischen Küste erreichte, türmte
die Flutwelle sich sogar zum Zwanzigfachen der ursprünglichen
Höhe auf.
    Nichts im evolutionären Erbe von Suchomimus hatte ihn darauf
vorbereitet. Das zurückkehrende Meer glich einem wandernden
Gebirge, das sich aus dem Erdboden emporhob. Er vermochte es nicht zu
hören, aber er spürte, wie der freigelegte Meeresboden
erbebte und roch den Geruch von Salz und pulverisiertem Gestein. Er
richtete sich auf und fletschte trotzig die Zähne im Angesicht
der nahenden Springflut.
    Das Wasser schlug über ihm zusammen. Er verspürte einen
kurzen Druck, eine Schwärze und eine gewaltige Kraft,

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