Ewig Böse
Garten. Sie zündete sich eine Zigarette an, setzte sich in einen Liegestuhl und starrte ins Leere.
»Stacey? Was ist los?«
Sie schrak auf und sah mich an. »Ach, ich habe dich gar nicht reinkommen hören.«
»Doch«, meinte ich irritiert. »Hast du. Wir haben uns gerade in der Diele unterhalten. Du hast … Stacey, komm schon. Also wirklich.«
»Spielt es wirklich eine Rolle?«, erwiderte sie. »Wäre es nicht besser, wenn einer von uns einfach wegginge?«
»Weg? Wie, weg?«
»Das würde es leichter machen«, sagte sie mit lustloser Miene. High. »Wenn du weggingst. Geh doch einfach weg, James.« Sie lachte, und es war ein böses Lachen. »Geh weg. Geh weg.«
Hatten wir uns danach gestritten? Oder hatte ich sie in den Arm genommen und ihr beigestanden? Nein, nichts dergleichen. Jetzt erinnerte ich mich wieder. Ich hatte sie einen Moment lang angestarrt, in ihre blutunterlaufenen Augen voller Zauberpillen gesehen, und gedacht: Du bist genau wie er. Du bist genau wie Ghost. Eine Scheiß-Drogenabhängige. Meine Frau ist eine Scheiß-Süchtige, und ich will sie nicht mehr sehen.
»Wenn du nicht mit mir reden willst«, sagte ich, »na schön. Aber Drogen sind keine Lösung für gar nichts, und ich habe einen Job zu erledigen.«
»Gut, dann erledige ihn. Hält dich jemand auf?«
Und ich ging hinaus, zurück zu meinem Wagen, dem S5, den ich ihr geschenkt hatte, und fuhr zum Shutters-Hotel in Santa Monica. Ich nahm mir ein Einzelzimmer, tat so, als hätte ich Bereitschaftsdienst, und stellte es Ghost in Rechnung. Ich ging ins Bett und versteckte mich vor meiner Frau, von der ich wusste, dass sie nicht verrückt war, dass sie im Grunde vielleicht ›nur‹ Depressionen hatte, sich aber mit den vielen Pillen, die sie in einen Zustand der Betäubung versetzten, langsam umbrachte. Uns umbrachte, und deshalb war ich sehr nahe daran, sie zu hassen.
Das war kurz vor ihrem Tod gewesen. Aber wie lange? Eine Woche? Drei oder vier Tage? Oder am Tag, bevor sie in dieser Gasse umkam?
Hatte ich ihre Familie angerufen? Ihre Freunde? Hatte ich sie im Schlafzimmer eingesperrt und mich zu ihr ans Bett gesetzt?
Nein, ich mietete mich 10 km entfernt in einem Hotel ein. Starrte in den Fernseher, hasste sie, die »tickende biologische Uhr«, unser ganzes Leben und unseren Lebensstil. Hasste mich selbst.
»Wessen Haus ist das?«, hatte Annette gefragt. Falls sie noch Annette war.
Geh nicht weg. Du kannst jetzt nicht gehen. Ohne dich stirbt sie.
Ich setzte mich zu Annette auf die Couch und nahm ihre Hände. Sie fühlten sich an wie gekühlter Hefeteig.
»Es ist dein Haus, Annette. Dein Haus in Sheltering Palms. Erinnerst du dich? Wir sind zusammen hergekommen, erst vor ein paar Wochen, meine Süße.«
Sie warf mir denselben Blick zu wie damals in meinem Badezimmer. Als sie auf dem Toilettensitz saß und Todesangst vor den Hasenbildern empfand. Nachdem sie sich den Kopf angeschlagen hatte. Nachdem etwas oder jemand sie zu Fall gebracht hatte. Hatte die Veränderung damals angefangen? Kannte sie mich seitdem so gut und wusste so genau, auf welche Knöpfe sie drücken musste? Ja, es hatte so früh begonnen. Das konnte Ground Zero gewesen sein. Der Zeitpunkt, als es – sie – in sie gefahren war.
»Alles in Ordnung. Ich bin ja da. Hör mir zu.«
»Wer ist Annette? Warum nennst du mich ständig so? Ich mag den Namen nicht.«
Bitte tu das nicht. »Das ist dein Name. Du bist Annette.«
»Du lügst.« Sie sah mich mit leeren Augen an. »Wer ist Annette, James? Ist sie deine Freundin? Begleitet sie dich auf Tour?«
Ich ließ ihre kalten Hände los und wich zurück.
»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was du von mir willst.«
»Mir ist so kalt. Ist dir nicht kalt? Ich habe ständig diese Träume. Jedes Mal sterbe ich. Ich versuche zu schlafen, aber wenn ich aufwache, bin ich tot.«
Sie weinte.
»Ich bringe dich ins Bett«, sagte ich und führte sie nach oben.
Nachdem sie sich beruhigt hatte und eingeschlafen war, schloss ich die Schlafzimmertür und ging den Gang entlang zum Gästebad. Ich hatte eine Dusche nötig. Ich musste allein sein. Ich brauchte Schlaf, aber erst musste ich etwas wegen meinem Haar unternehmen. Sie hatte es nicht einmal bemerkt. Und wenn Rick die Wahrheit gesagt hatte? Wann hatte ich zum letzten Mal in einen Spiegel gesehen? In dem Haus, wo ich dem Jungen begegnete? War es da schon weiß gewesen, oder weiß geworden? Nein, nein, nein …
Ich stieß die Tür auf, von der ich dachte,
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