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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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verwirrende Gefühl von Vertrautheit, das Männer in einer Bar allen Ernstes sagen lässt: ›Sind wir uns nicht schon einmal begegnet?‹ Ich war entsetzt über ihre unerklärliche Anwesenheit in meinem Haus, und dennoch wollte ich in den schimmernden grünen Tiefen ihrer Augen versinken.
    Mein Mund fühlte sich an, als wäre er voll Watte. Sie war noch sechs Meter entfernt, aber ich sah, wie sie errötete, als könne sie meine Bewunderung lesen und sie wäre ihr peinlich, oder erregte sie. Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr und verschränkte die Hände geziert vor der Taille.
    Sie sagte: »Ich bin jetzt hier. Ich bin Ihre Frau.«
    Das Wort ›Frau‹ legte sich wie ein enger Ledergurt um meinen Hals und schnürte mir den Blutkreislauf ab. Einen Augenblick lang klang ihre Stimme wie ein Echo von Staceys, doch die war weicher gewesen, jünger. Dieses Weib sprach nicht mit der Stimme meiner Frau.
    »Sie sind nicht meine Frau«, sagte ich. »Meine Frau ist vor einem Jahr weggegangen.«
    Ihr Charme verpuffte, und an seine Stelle trat Traurigkeit. »Nein, ich sagte, dass ich hier bin … wegen Ihrer Frau.«
    Hatte ich sie falsch verstanden? Nein, ich war sicher, dass ich richtig gehört hatte. Und doch konnte es nicht sein.
    »Ich habe Sie schon eine Weile beobachtet«, sagte sie. »Ich hatte Angst, ich würde zu spät kommen.«
    »Zu spät wofür?«
    »Um Sie davon abzuhalten, was Sie da oben vorhatten.«
    Ich fühlte mich beschämt und fand keine Worte.
    »Das wird nicht leicht«, sagte sie. »Können wir uns hinsetzen?«
    Ich starrte sie gespannt an.
    »Ich heiße Annette Copeland. Ich bin gerade gegenüber eingezogen.«
    Meine neue Nachbarin? Der Schatten auf der Veranda? Kam sie mir deshalb bekannt vor? Nein, ich hatte nicht genug von ihr gesehen, um die Intensität meiner jetzigen Gefühle zu erklären.
    »Ich weiß, wie Ihre Frau getötet wurde«, sagte sie.
    Wie Ihre Frau getötet wurde. Nicht ›wie sie gestorben ist‹. Ein Adrenalinstoß schoss durch meine Adern und presste den Alkohol als kalten Schweiß zu den Poren heraus. Von einer Sekunde auf die andere war ich nüchtern.
    »Ich habe erst vor ein paar Wochen erfahren, was geschehen ist, sonst wäre ich früher gekommen. Es war ein Unfall. Ein schrecklicher …«
    »Sie …«, sagte ich atemlos. »Sie waren dabei?«
    »Nein. Es war mein Mann. Er hieß Arthur. Er hat sie mit seinem Pick-up überfahren.« Ihre Hände krampften sich um den Saum ihres T-Shirts. »Er hat sich vor sechsundzwanzig Tagen das Leben genommen.«
    »Gut«, sagte ich. »Ich hoffe, er schmort in der Hölle.«
    Annette Copeland fing an zu weinen.
    Wir saßen im Wohnzimmer. Als sie in der Küche in Tränen ausgebrochen war, hatte ich ein Bier gebraucht und ihr auch eines angeboten. Sie hielt es ungeöffnet in der Hand, während sie hinter mir herschlurfte wie ein verängstigtes Kind. Hundert Fragen wirbelten durch meinen Kopf und verlangten, gestellt zu werden. Sie saß zusammengekauert am Ende der Couch. Nur ihr schrecklicher Kummer hatte mich davon abgehalten, sie anzubrüllen, hinauszuwerfen oder mit einem Verlängerungskabel an einen Stuhl zu fesseln.
    »Ich bedauere Ihren Verlust«, sagte ich, ohne es im Geringsten so zu meinen.
    Sie wischte sich mit dem T-Shirt die Nase. »Tut mir leid. Das ist widerlich.«
    Ich nickte. Die ganze Situation war widerlich.
    »Er konnte nicht damit leben«, meinte sie. »Er hat mir nichts davon erzählt. Vor einem Jahr kam er frühzeitig von der Arbeit nach Hause. Er war betrunken und stand unter Schock. Er sagte, ihm wäre schlecht, und ging zu Bett. Jedes Mal, wenn ich ihn anflehte, mir zu sagen, was los war, sagte er nur, er wäre deprimiert. Es liege an seinem Job. Ich dachte, er hätte eine Midlife-Krise. Unsere Ehe war schon vorher nicht die beste gewesen, und danach ging sie endgültig in die Brüche.«
    »Wenn Sie sich Mitleid erhoffen …«
    »Nein, das tue ich nicht.« Sie sah mir in die Augen. »Ich möchte nur, dass Sie Bescheid wissen. Er hat es sehr gut verheimlicht. Er trank immer mehr. Er hatte schon vorher getrunken, aber dann hat er auch noch seine Arbeit verloren. Ich sagte ihm, dass ich ihn verlassen würde, wenn er sich keine Hilfe suchte. Vor einem Monat fuhr ich übers Wochenende zu einer Freundin. Ich wollte einen Entschluss fassen. Bei meiner Rückkehr war er tot. In seinem Abschiedsbrief erklärte er mir, was vorgefallen war.«
    »Er hat sich nicht der Polizei gestellt«, stellte ich fest und fasste damit das

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