Ewig Böse
fällen zu müssen. Es schien wichtig zu sein, dass ich zu einem Entschluss kam. Ich hatte schon zu lange Angst davor, in diesem Haus zu leben. Ich hatte es satt, auf den großen Auftritt zu warten. Es wäre schön, zur Abwechslung mal wieder im Bett zu schlafen. Die Couch war in Ordnung und tat meinem Rücken überraschend gut, aber wenn ich das Obergeschoss noch länger mied, würde sich das Haus immer enger um mich zusammenziehen, bis meine … Neurose … mich ganz im Griff hatte, und dann würde ich überhaupt nirgends mehr schlafen können.
Während ich mich in der Dunkelheit umdrehte, passten meine Augen sich langsam an. Ich konnte jetzt meine Hand erkennen, und den schwarzen Umriss der Pistole darin. Die undeutlichen Formen der Möbel, das massige Gebilde der Bar. Der rauchige Spiegel ein Tunnel wohltuender Dunkelheit, der nichts reflektierte. James Hastings war gar nicht hier. Da verstand ich die Bedeutung, die Botschaft, nach der ich gesucht hatte. Sie leuchtete so klar umrissen vor meinem geistigen Auge auf wie früher Staceys Gesicht, und sie wies mir den Weg zu einer erlösenden Rückkehr zu ihr. Ich krümmte den Finger um den Abzug und setzte die Mündung an die Schläfe. Meine Zähne knirschten. Meine Muskeln spannten sich, und eine kalte Hand legte sich auf meinen bloßen Arm.
»James, warte«, sagte Stacey. »Du bist nicht allein.«
7
Ich zuckte zurück, und der Abzug machte klick . Tausend heiße Nadeln bohrten sich in meine Haut. Ich spürte noch den kalten Druck ihrer Finger auf meinem Arm, während ich wild in der Luft herumfuchtelte und die Flucht ergriff. Irgendwie entglitt mir in der Panik die Pistole.
Ich riss die zweiflügelige Tür des Ballsaals auf, stürzte durch den Flur und rannte die Treppe hinab. Die letzten vier Stufen übersprang ich mit einem einzigen Satz und landete mit solcher Wucht in der Eingangshalle, dass der Kronleuchter wie ein Windspiel klimperte. Ich flüchtete mich in die Küche, und mein Herz wummerte, als müsse es Murmeln durch die Adern pumpen. Was da oben beinahe passiert wäre – das hatte ich nie vorgehabt! Aber einen Moment lang war etwas in mich gefahren. Etwas hatte mir die Aussicht nicht nur vernünftig, sondern … tröstlich erscheinen lassen.
Sie will, dass ich zu ihr komme.
Ich raffte die Autoschlüssel von der Theke, als oben dumpfe, langsame Schritte ertönten. Ich wusste, dass Stacey tot war und dass ihr Körper (ihr zerschmetterter, weggeworfener Körper mit dem abscheulichen, herausquellenden Auge und den verrenkten Beckenknochen) vor fast einem Jahr eingeäschert worden war. Ich wusste auch, dass ich vor nicht einmal zwei Minuten ihre Stimme gehört hatte, so dicht an meinem Ohr, dass ich ihren Atem spüren konnte.
Die Schritte erreichten den oberen Treppenabsatz. Es waren fünfzehn Stufen. Jetzt gingen sie wieder nach unten. Ich versuchte vergeblich, mitzuzählen, aber weit konnte es nicht mehr sein.
Rumms-da-bumms. Stopp.
Was immer da war, es war am Fuß der Treppe angekommen. Ich stellte mir vor, wie es da stand, kalt, die Augen noch nicht ganz ans Licht angepasst, nach meinem Geruch witternd. Durch den kurzen Gang zwischen der Eingangshalle und der Küche behielt ich die Haustür im Auge. Selbst wenn es dort hinaus verschwand, würde ich sehen können, was es war.
Die Schritte scharrten über die Eichendielen. Der braune Teppich schob sich an einer Ecke zusammen. Eine flache Ledersandale wurde sichtbar und glättete ihn wieder. Die Sandale wurde vervollständigt durch ein weißes Bein unter abgeschnittenen Jeans, ein mit blauer Leuchtfarbe beschmiertes schwarzes T-Shirt, einen Wust erdbeerroter Haare. In der Küchentür blieb sie stehen. Ich starrte sie an, nicht Stacey, eine Fremde. Sie war blass, mit großen Goldfischaugen und einer weichen, breiten Nase, alles schön glatt und gerundet. Ihre Arme hingen ein wenig abgewinkelt in einer Pose herab, die fast maskulin wirkte, großspurig.
»Tut mir leid, James«, sagte sie. »Ich wollte dich nicht erschrecken.«
Sie hatte eine volltönende Stimme, beinahe herablassend und seltsam entspannt. Ich hatte sie noch nie gehört. Augenblicklich war ich wie gelähmt von miteinander ringenden Gefühlen. Ich spürte eine überwältigende Anziehungskraft. Sie war nicht im selben Sinne schön wie ein Model, aber attraktiv. Sie hatte diese Art von seltsam unauffälligen Gesichtszügen, von denen man immer schwerer den Blick abwenden kann, je länger man hinsieht. Und dann spürte ich dieses
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