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Ewig Böse

Ewig Böse

Titel: Ewig Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ransom
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ausgewachsenen schwarz-weißen Hasen, der sich auf den Boden duckte, als wollte er unter einem Zaun durchkriechen, nur, dass da kein Zaun war. Die Hasen knabberten keine Karotten, sie grinsten auch nicht in dieser gekünstelten, anthropomorphen Art, sie kauerten einfach flach auf dem Bauch, im Profil eingefangen vor einem verwischten Hintergrund aus Gras und weißen Blumen. Sie hatten grüne Augen und sahen in entgegengesetzte Richtungen, als wollten sie gleich aus den Rahmen springen und über- oder untereinander herfallen. Es war einfach Massenware, die Stacey in einem Katalog entdeckt hatte, weder hübsch noch besonders knuddelig oder wertvoll, aber auf ihre seltsame Art hatte Stacey sie geliebt. Ich hatte nie einen zweiten Gedanken an die banalen Bilder verschwendet, doch Annette starrte sie an wie ein kleines Mädchen beim Kinderarzt, mit zusammengebissenen Zähnen und weit aufgerissenen Augen. Sie zuckte heftig zusammen und wandte den Blick ab, presste die Augenlider fest zusammen.
    »Was ist denn?«
    »Es tut mir leid, es tut mir so leid«, wimmerte sie. »Lass nicht zu, dass der rote Hase mich holt.«
    Der rote Hase? Es gab keinen roten Hasen. Nur zwei schwarz-weiße.
    »Ist schon gut«, sagte ich. »Du hast eine kleine Platzwunde am Kopf.«
    »Lass mich einfach …« Sie stützte sich mit einer Hand an der Wand ab.
    Ich wich ein Stück zurück und wartete ab, ob sie vom Toilettensitz kippen würde. »Wo sind deine Kleider?« Annette hatte ihre Wohnung mit einem kleinen Lederrucksack voller Kleider und Make-up verlassen, aber ich konnte ihn nicht entdecken. »Wo ist dein Rucksack?«
    »In meinem Zimmer.«
    Das klang seltsam. Sie musste ihn in eines der Gästezimmer geworfen haben. Sie war verwirrt, sie dachte, sie wäre zu Hause.
    »Versuch noch nicht, aufzustehen.«
    Ich ging ins Schlafzimmer und holte einen Satz von Staceys blauen Dodgers-Traininghosen und -Sweatshirts, dazu pinkfarben gesäumte kurze Socken. Als ich zurückkam, war sie auf den Beinen und versuchte, sich abzutrocknen. Ich legte die Kleider auf den Toilettendeckel.
    »Ich glaube, die Wunde muss genäht werden.«
    »Nein. Ich will nur … gib mir nur eine Minute.«
    »Ich denke, wir sollten einen Arzt rufen.«
    Annette schaffte es, in die Hose zu steigen, und schlüpfte in das Sweatshirt. Sie hielt sich am Handtuchhalter fest. Sie schloss immer wieder die Augen, aber alle paar Sekunden glitten ihre Lider langsam nach oben, als wäre sie in einem Boot mitten auf dem Meer.
    »Erinnerst du dich an deinen Namen?«
    »Annette.«
    »Annette was?«
    »Copeland.«
    »Weißt du, wo du bist?«
    Sie nickte, runzelte aber die Stirn.
    »Du könntest eine Gehirnerschütterung haben«, sagte ich.
    »Ich muss nach Hause«, sagte sie und sah mir in die Augen. »Jetzt.«
    Ihre Hände zitterten immer noch. Sie versuchte, selbständig zu gehen, hatte aber einen starken Rechtsdrall, daher führte ich sie die Treppe hinunter und auf die Veranda. Ich fühlte mich grässlich und hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Als wir den Vorgarten erreichten, löste sie sich aus meinem Griff und begann, schneller zu gehen.
    »Wir sollten einen Arzt rufen«, rief ich ihr nach. »Es könnte gefährlich sein …«
    »Mir geht es gut«, sagte sie im Davoneilen. »Mach dir keine Gedanken.«
    »Du darfst nicht länger als eine Stunde am Stück schlafen …«
    Sie hatte beinahe schon Mr Ennis’ Gartenweg erreicht. Ich gab es auf, ihr nachzulaufen.
    »Also gut, ich schaue morgen vorbei.«
    Sie murmelte etwas, war aber schon zu weit weg, als dass ich es verstanden hätte.
    Ich ging ins Haus und holte mir eine Decke. Ich streckte mich auf der Couch aus und versuchte, mir einen Reim auf den Abend zu machen. Was für eine hochgradig abgefuckte Wendung der Dinge. Die Erschöpfung überwältigte mich, und das Einzige, was mich vom Schlafen abhielt, war der Gedanke, wie sie da hingestreckt in der Badewanne gelegen hatte, ein sommersprossiges Sahneschnittchen.
    Eine Sekunde lang hatte ich geglaubt, sie wäre tot. Ich schloss die Augen und sah Staceys Hasen vor mir, schwarz-weiß gefleckt in ihren Rahmen, während sie mich aus leblosen Glasaugen anstarrten. Was hatte Annette darin gesehen? Was hatte Stacey gesehen? Warum hatte sie diese Bilder geliebt? Warum hatte Annette Angst vor ihnen?
    Ich wusste es nicht. Ich hatte das Gefühl, als müssten mich die Hasen an etwas erinnern, aber der Kopf tat mir weh, und ich war müde. Eine Sekunde lang hatte sie mich angesehen wie …
    Lebt

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