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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Paul war dort. Ich weiß nicht, kennst du Paul? Der ist mit dem Bruder von Ilse …« Judith: »Lukas ist ein langjähriger guter Freund!« – Ilse: »Entschuldige, Judith, ich wollte wirklich nicht … Es wäre auch nichts dabei …« – Judith: »Ein Freund, der auch wirklich da ist, wenn man einen braucht!« So, jetzt waren sie still. Und weil sie gerade so hübsch betreten beisammensaßen und ihre Tränen wie ein Marien-Wunder betrachteten, sprach Judith weiter, ohne die Lautstärke zu verringern: »Übrigens, was gibt es Neues von Hannes? Ihr braucht nicht so zu tun, als wäre er plötzlich aus der Welt. Also, wie geht es ihm? Was macht er so? Wo treibt er sich herum?« – »Judith, bitte nicht, das ist jetzt kein gutes Thema«, erwiderte Gerd mit leiser, um Entspannung bemühter Stimme. – »Was soll das heißen, jetzt kein gutes Thema? Ich kenne seit Monaten Tag und Nacht kein Besseres!« – »Wir haben ihn alle schon länger nicht gesehen«, sagte Valentin in beleidigtem Tonfall, »bist du jetzt beruhigt?« – Nein, wütend. »Ihr könnt ihn treffen, sooft ihr wollt. Ihr könnt Tenniscamps bestreiten, könnt Wohn-, Lebens- oder sonstige Gemeinschaften mit ihm eingehen. Aber redet bitte nicht um den heißen Brei herum. Also was ist mit ihm? Warum ist oder war er im Spital? Was hat er für eine ominöse Krankheit?« – »Spital?«, murmelte Valentin überrascht. Und noch leiser: »Krankheit?« − »Liebe Judith«, sagte Gerd. Sie schüttelte seine Hand von der Schulter. »Hannes will nichts anderes als dich vergessen. Glaub mir, er arbeitet hart daran. Und er will, dass du ihn vergisst. Er weiß, das ist das Beste für euch beide.« – »Er hat sogar mit dem Gedanken gespielt, auszuwandern«, fügte Lara hinzu. »Hervorragende Idee«, erwiderte Judith. »Warum tut er es nicht?« Lara: »Warum bist du so gemein, Judith? Was hat er dir getan, außer dass er dich liebt?« – Judith: »Das hat er getan!« Ihr Zeigefinger wanderte von einer Person zur nächsten. »Und das!« Jetzt deutete sie auf sich. »Und ich sage euch, er tut es noch immer.« Die meisten glotzten betreten ihren leeren Nachspeisenteller an. Wenig später fiel die Tür zu.
     
4.
    In der Nacht des sechsten Tages, an dem er nicht zurückgerufen hatte, hörte sie erstmals seine Stimme. Sie lag mit dem Rücken auf der Wohnzimmercouch, unter dem Licht ihres Rotterdammer Goldregens, und wartete, bis ihr die Augen zufielen. Diese Methode hatte sich in den Nächten davor als die zweckmäßigste erwiesen, wenigstens zu ein paar Stunden Schlaf zu gelangen, ehe sie die Morgendämmerung von ihren Schattenängsten erlöste.
    Zuerst waren es Geräusche, als würde jemand in einer Höhle Blechplatten zum Schwingen bringen. Dann setzte Flüstern ein. Schließlich wichen die zischenden Laute einem Gemurmel, das kontinuierlich anschwoll. Und plötzlich war die Stimme da, seine Stimme, unverkennbar. »Dieses Gedränge«, sagte er, wie damals, bei der ersten Begegnung im Supermarkt. Die Worte hallten in Echowellen wider: »Dieses Gedränge, diesieses Gedrängänge, diesiesiesieses Gedrängängängänge …« Noch im gleichen Moment war sie fähig, ihre Reaktion zu testen. Die war, zu ihrem Erstaunen, keineswegs panisch, im Gegenteil. Die Stimme kam ihr vertraut vor, sie hatte sie wohl schon länger in sich getragen, schmerzvoll unterdrückt freilich, als quälendes Geheimnis, das sich nun endlich aus ihr herauszulösen begann und seinen eigenen Ton annahm, Hannes’ eigenen. Judith rührte sich nicht und versuchte so leise wie möglich zu atmen, um kein Wort zu versäumen. »So was kann höllisch wehtun«, sprach die Stimme. Damit musste der Tritt auf ihre Ferse gemeint sein. Und: »Ich hoffe, ich störe Sie nicht.« Da stand er erstmals im Lichtkegel ihres Kristalllusters aus Barcelona. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht, störtöre Sie nichnicht, störtörtörtöre Sie nichnichnichnicht …« Nein, er störte sie nicht, er beruhigte sie, dröhnte sie zu, machte sie mürb und müde. Zuletzt vernahm sie: »Schlaf gut, Liebling. Liebliebling. Lieblieblieblieb…« Dann wurde es still und finster.
     
    In der Früh schmerzte ihr Kopf wie nach einer durchzechten Nacht, und sie genierte sich für ihr Erlebnis, das ihr wie eine erste grobe Fehlleistung ihres Gehirns erschien: Es war kein Traum im eigentlichen Sinn gewesen, denn im wachen Zustand wusste man immer, ob man geträumt hatte oder nicht. Judith wusste es nicht. Das war ihr noch nie passiert.
    Im

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