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Ewig Dein

Ewig Dein

Titel: Ewig Dein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Durchatmen. Schnell alle Lichter an. Kaffeemaschine. Kaufhausmusik. Sie wärmt ihre klammen Finger unter dem ovalen Kristallluster aus Barcelona, ihrem schönsten Stück. Hier hat alles begonnen. Erinnert sie sich? Was hat sie daraus gemacht? Was ist aus ihr geworden? Aus ihr und ihm. Aus ihm. Wo ist er hin, ihr Verfolger? Sie spürt ihn, er kann nicht weit sein. Er sitzt in ihr. Wo verfolgt er? Wo folgt sie ihm hin? Wer war der Erste?
     
2.
    In der Mittagspause musste ihr Bianca, die sich am Wochenende verliebt und (erstmals ungeschminkte) rote Wangen davongetragen hatte, eine Hand halten. Mit der anderen wählte Judith die Nummer seines Büros. Beatrix Ferstl war am Apparat. Sie sprach im herablassenden Tonfall, wie eine auf dem Schoß eines »leider außer Haus« befindlichen Chefs sitzende Chefsekretärin. Ob sie Herrn Kollegen Bergtaler etwas ausrichten dürfe? – »Ist er denn nicht mehr im Spital?«, fragte Judith. Spital? Da bitte sie um Verständnis, dass sie solche vertraulichen Informationen privater Natur … »Kann er mich bitte heute noch zurückrufen?« – Das werde schwer möglich sein. Sie notiere aber gerne ihre Telefonnummer. »Die hat er.« – Schön, doch sie möge trotzdem so freundlich sein … Und wie war der Name? – »Judith. Judith war der Name. Wir haben uns einmal in dem Lokal gesehen, im Frühjahr, in der Phoenix-Bar. Und Ihre Kollegin, Frau Wolff, glaube ich, war vor ein paar Wochen bei mir im Geschäft!« – »Judith und wie weiter?« – »Wir kennen uns!« – »Judith und?« – »Judith reicht.« – »Gut, Frau, äh, Judith. Ich kann aber nicht versprechen …« – »Sie müssen mir nichts versprechen. Es reicht, wenn Sie ihm sagen, dass er mich anrufen soll.« – »In welcher Angelegenheit?« – »In einer dringlichen!« – »Entschuldigung, in welcher?« – »In meiner.«
     
3.
    Am Abend des vierten Tages, an dem Hannes nicht zurückgerufen hatte, war Judith bei Gerd eingeladen. Auch die anderen Freunde aus ihrem früheren Leben waren gekommen. Es gab nicht nur keinen Anlass für dieses Treffen, es gab, wie sich herausstellte, auch keinen Grund. Schon bei der Begrüßung merkte Judith, dass mit ihnen allen etwas nicht stimmte, noch dazu das Gleiche. Ihre Händedrücke waren weich, ihre Küsse spitz wie Nadelstiche. Sie lächelten sie zartbitter an und reduzierten den Ton ihrer Worte auf halbe Lautstärke, wenn sie mit ihr sprachen.
    »Schön, dass du gekommen bist, Judith«, eröffnete Gerd pathetisch, als wäre sie lebendig der Gruft entstiegen. Nach einigen Floskeln im Dienste der Verlegenheit, bis endlich jeder sein Prosecco-Glas zwischen den Fingern hatte, verlor sich das Gespräch in ersten Zahnlücken von Mimi und Billi, den Kleinen, die Ilse und Roland zusammenhielten. Danach gab es Gerds Junggesellen-Kürbisgnocchi, wie sie die Mikrowelle der Tiefkühltruhe regelmäßig abtrotzte. Lara, die mittlerweile aufgehört hatte, mit Valentin Händchen zu halten, und ihm stattdessen nach jeder seiner sexistischen Bemerkungen mit der Faust auf die Schulter donnerte, lobte Judiths schönes violettes Kleid, das vortrefflich zu ihren Schuhen passte, auf welchen Markennamen es hörte, welcher Filiale es entstammte, zu welchem Preis es zu erstehen war, in welchen Größen es angeboten wurde, aus welchem Farbsortiment gewählt werden konnte, ob es tatsächlich in Taiwan genäht worden war und ob sich das denn auszahle, in Taiwan Kleider zu nähen und in den reichen Westen zu schicken, zu welchem Lohn und unter welchen Bedingungen taiwanesische Kleidernäher … Endlich war man beim Elend in der Welt angelangt. Konsequenterweise hätte man Judith das Kleid vom Leib reißen müssen.
    Als der Abend endlich seinem Höhepunkt zuzusteuern schien, dem Ende, erlaubte sich Ilse im Überschwang leichter Berauschung eine Bemerkung, die sie gleich darauf bereute: »Und du hast einen neuen Lover, wie ich höre?« – Judith: »Ich? Wer sagt das?« Ilse: »Ach so, war vielleicht nur blödes Gerede, du weißt, die Leute plaudern gerne, wenn der Tag lang ist. Ist also offenbar nichts dran.« Judith: »Welche Leute?« Da Ilse gegen plötzliche Schluckbeschwerden ankämpfte, sprang Roland ein: »Du bist in der Iris-Bar mit einem gutaussehenden Typen gesehen worden, nichts weiter. Aus Ilse spricht der blanke Neid, die muss sich mit mir zufriedengeben.« Einige bemühten sich zu lächeln. Judith: »Gesehen von wem?« Roland: »Judith, reg dich bitte nicht auf. Ganz harmlos: Eine Kollegin von

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