Ewig sollst du bueßen
dann trauen? Und Green war
nicht nur einfach ein unehrlicher Zeuge, er war wohl auch befangen. Er und der
Angeklagte waren wegen Laprea potenzielle Rivalen, was hieÃ, dass er einen
Grund hatte, sich an Dâmarco zu rächen. Die Anklage würde sich niemals auf
seine Aussage verlassen können. Natürlich hatten sie die Pflicht, der
Verteidigung all dies bekannt zu geben. Wenn sie Green in den Zeugenstand
bringen würden, würde er beim Kreuzverhör niedergemacht.
Und Jack hatte der Jury gerade erzählt, was für ein guter und
neutraler Kerl Green doch war. Da gab es keinen zweiten Versuch. Jack würde bei
den Geschworenen jede Glaubwürdigkeit verlieren.
Und es war nicht nur unmöglich, Green in dem Fall als Zeugen zu
bringen. Green war nun der Fall Dâmarco. Anna konnte
sich erinnern, wie hartnäckig Dâmarco in ihrer Wohnung darauf bestanden hatte,
dass ein Cop Laprea getötet habe. Diese Geschichte, die damals noch absurd
geklungen hatte, bekam eine neue Bedeutung, da sie nun wussten, dass Laprea ein
Verhältnis mit einem Cop gehabt hatte. Einem unehrlichen Cop, der nicht von
einer Frau aus Anacostia belästigt werden wollte. Ein Cop, der nicht glücklich
gewesen wäre über ein uneheliches Kind, das seine Karriere und seine
Brieftasche belastet hätte. Das alles würde genügen, um die Geschworenen sich
fragen zu lassen, ob nicht Green Laprea getötet hatte â und, offen gesagt,
fragte Anna sich das inzwischen auch.
Anna glaubte immer noch, dass Dâmarco höchstwahrscheinlich der
Mörder war. Doch glaubte sie es auch über alle berechtigten Zweifel hinaus?
Ein Staatsanwalt muss sich sicher sein. Bevor er zwölf Leute darum
bittet, einen Mann ins Gefängnis zu schicken, muss ein Ankläger wissen, dass
der Mann, den er hinter Gitter bringt, auch wirklich schuldig ist. Wenn er
Zweifel hat, kann er die Jury nicht bitten, den Angeklagten zu verurteilen.
Der Mordfall war erledigt. Jack und Anna wussten es beide.
»Brauchen Sie mich noch hier?«, fragte McGee.
Jack rieb sich über seinen Nasenrücken. »Wo müssen Sie hin, Tavon,
zur Pediküre?«
»Ich möchte mit dem Lieutenant sprechen«, antwortete McGee. »Ich
habe Greens Waffe, aber sie müssen ihm noch seine Dienstmarke abnehmen und den
Verwaltungskram erledigen.«
»Gut.« Jack nickte. »Dann tun Sie mir einen Gefallen und schreiben
Sie Greens Aussage auf. Und haben Sie immer im Hinterkopf, dass
Strafverteidiger, die Abteilung für innere Angelegenheiten und die Medien Ihren
Bericht auch noch in Jahren genau studieren werden. Mist, ich hätte Sie bitten
sollen, sich Notizen zu machen.«
»Alles erledigt, Chef.«
McGee zog einen kleinen Notizblock aus seiner Anzugtasche. Er
klappte ihn lächelnd auf und zeigte mehrere Seiten vor, die mit seiner
ordentlichen runden Schrift bedeckt waren. Er hatte Greens Aussage heimlich
mitgeschrieben.
»McGee, Sie sind klasse!«, rief Anna aus.
McGee blickte sie an, ohne eine Miene zu verziehen. »Hmm«, sagte er
und verlieà den Raum. Offensichtlich lag sie bei ihm immer noch in Ungnade.
Nun war sie mit Jack im Zeugenraum allein. Er sah so erschöpft aus
wie noch niemals zuvor. Sie spürte seine Isolation, seine Einsamkeit an der
Spitze der Hierarchie. Wenn ihr so etwas in einem ihrer Fälle passiert wäre,
hätte sie im Büro angerufen und mit einem Supervisor gesprochen, der ihr
Ratschläge gegeben hätte, wie zu verfahren sei. Aber Jack saà ganz oben, und da
gab es niemanden, der ihm Deckung geben könnte. Sie hätte gern ihren Arm um
seine Schulter gelegt und ihm über den Rücken gestrichen. Natürlich wagte sie
das nicht.
»Ich muss all das mitteilen«, sagte Jack, mehr zu sich selbst als zu
Anna. »Und mit Rose und Ernie Jones sprechen.«
»Stimmt«, murmelte Anna. Als Hinterbliebene des Opfers hatte Rose
das Recht, über alle wichtigen Entwicklungen des Falles informiert und dazu
gehört zu werden. Ernie Jones hatte als Opfer von einem der Angriffe von
Dâmarco dasselbe Recht.
Wie auf ein Zeichen ging die Tür auf und Rose, Ernie und ihre
Gruppe, die mit zum Essen gewesen war, kamen herein. Rose und Ernie
unterhielten sich locker, als sie sich setzten. Anna blickte auf ihre Uhr:
12:50Â Uhr. Die Mittagspause war fast vorbei.
»Mrs. Johnson, Mr. Jones«, sagte Jack förmlich. Rose und Ernie
hörten auf zu
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