Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ewig sollst du schlafen

Ewig sollst du schlafen

Titel: Ewig sollst du schlafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Jackson
Vom Netzwerk:
fünfzehn Jahre alten Mercedes ihrer Mutter und dem neuen BMW-Cabrio ihres Vaters – Zeichen der Midlifecrisis, die Ron Gillette eigentlich schon vor zehn oder fünfzehn Jahren hätte durchmachen müssen – vorbei zur Tür. Sie öffnete sie und wollte in den Vorraum schlüpfen, da stieß sie beinahe mit ihrer Mutter zusammen. Sie war in einen flauschigen gelben Bademantel eingehüllt, die Füße in dazu passenden Hausschuhen. »Mein Gott, Nikki, was ist denn bloß los?«, fragte Charlene und befingerte sorgenvoll das mit Diamanten besetzte Kreuz, das sie seit Menschengedenken um den Hals trug. »Es geht um diesen Grabräuber, nicht wahr?«
    Nikki mochte nicht lügen. »Ja. Bitte, Mom, keine Panik. Aber da du in wenigen Stunden sowieso die Zeitung liest, kann ich dir auch gleich sagen, dass der Kerl Kontakt mit mir aufgenommen hat.«
    Charlene rang nach Luft. »Der Mörder?«
    Nikki ging in die Küche, ihre Mutter folgte ihr.
    Dir Vater erschien in der Tür zum Wohnzimmer. »Er hat Kontakt zu dir aufgenommen?«, wiederholte er unwirsch, die Stimme noch rau vom unterbrochenen Schlaf, das dünne Haar wirr, die Brille ein bisschen schief auf der Nase. »Wie denn?«
    »Das ist eine lange Geschichte, Dad, und mir fallen die Augen zu. Morgen früh erzähle ich euch alles.«
    »Droht dir Gefahr?«, wollte er wissen.
    »O Gott.« Charlene rieb das Diamantkreuz, als könnte sie so das Böse abwehren. »Natürlich droht ihr Gefahr. Sie fordert es ja geradezu heraus. Und jetzt… wenn sich diese Bestie an dich wendet …«
    »Ich weiß nicht mal sicher, ob er es war«, antwortete Nikki aufrichtig. »Es könnte auch jemand anderes sein, der sich einen makabren Spaß mit mir erlaubt. Aber ehrlich gesagt glaube ich das nicht.« Müde hob sie eine Hand. »Also, ist es in Ordnung, dass ich hier schlafe?«
    »Natürlich.«
    Mit einem gezwungenen Lächeln schaltete ihr Vater das Alarmsystem ein. »Jederzeit, Feuermelder. Das weißt du doch. Wenn jemand dir hier zu nahe kommt, kriegt er es mit mir zu tun.«
    »Und mit deiner privaten Waffensammlung.« Nikki knöpfte ihren Mantel auf.
    »Genau.«
    Dir Vater war beim Militär gewesen, und das Recht auf den Besitz einer Waffe ging ihm über alles. Dafür würde er kämpfen bis zum Umfallen. Mehr als einmal war sein Leben in Gefahr gewesen. Und er befand sich schon so lange im Ruhestand, dass Kriminelle, die er seinerzeit lebenslänglich verknackt hatte, dank Rehabilitation oder Bewährungsausschuss längst wieder auf freiem Fuß waren.
    Big Ron bestand darauf, ausreichend bewaffnet zu sein, und sein Besitz an Gewehren, Revolvern und AK-47ern machte das mehr als deutlich.
    »Wir sehen uns morgen.« Sie ging die Treppe hinauf zu ihrem Jugendzimmer und knipste die Nachttischlampe an. Warmes Licht beleuchtete die Blümchentapete, die sie zusammen mit ihrer Mutter vor zwanzig Jahren ausgesucht hatte. Das Bett aus Ahornholz, der dazu passende Schreibtisch und die Kommode standen noch an derselben Stelle wie damals, als Nikki hier heranwuchs. »Gott, das ist ja beinahe gruselig«, dachte sie laut, während sie die Tennispokale auf dem Regal berührte, die sie während ihrer Highschoolzeit gewonnen hatte. Das Anstecksträußchen vom Schulabschlussball heftete noch immer an der Pinwand, zusammen mit Fotos aus dieser Zeit und ihren Collegejahren. Die verblichene Quaste ihres Collegehuts hing über die Spiegelecke und verbarg zur Hälfte ein Foto von Andrew und Simone, das Nikki unter den Rahmen gesteckt hatte. Jetzt zog sie es heraus, um es eingehend zu betrachten. Andrew, lebendig und kraftstrotzend, den Arm um Simones Schultern gelegt. Die brünette, gertenschlanke Simone, deren dunkle Augen und bräunliche Haut deutlich ihre mediterrane Abstammung verrieten, und Andrew, groß und blond, mit dem Körperbau eines Athleten, wie ein germanischer Kriegsheld. In dem Moment, den die Kamera eingefangen und verewigt hatte, blickte Simone zu ihm auf wie zu einem Gott. Oder wie zu einem Götzen auf tönernen Füßen, korrigierte sich Nikki und nagte, getrieben von der Frage, was sie an dem Foto störte, an ihrer Unterlippe. Die Antwort fand sie nicht.
    »Du bist einfach nur müde«, sagte sie leise. Sie steckte das Foto wieder unter den Rahmen und blickte sich in ihrem alten Zimmer um. Augenscheinlich bestand Charlene Gillette darauf, die Vergangenheit zu konservieren. Die Zimmer ihrer Kinder zu Nähzimmern oder Mini-Gymnastikräumen oder auch nur Gästezimmern umzufunktionieren, kam für sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher