Ewig sollst du schlafen
sich selbst. »Er hat sich seine Jacke geschnappt und dem Fotografen Anweisungen zugebrüllt und Jim angeschnauzt, er solle sich beeilen. Als ich ihn fragte: ›Wo brennt’s denn?‹, hat er mich angegrinst, dass die Grinsekatze vor Neid erblasst wäre, und nur gesagt: ›Dahlonega.‹« Trina drehte den Verschluss von ihrer Colaflasche und zog die Brauen hoch. Ihre Augen sprühten Blitze. »Ich dachte, das solltest du wissen.«
»Richtig gedacht.« Nikki schob ihren Stuhl zurück, blickte den Flur entlang und sah, wie sich Metzger eine Wollmütze über den Kopf stülpte und mit den Schlüsseln in seiner Tasche klimperte. Er bemerkte, dass Nikki ihn anstarrte, zwinkerte ihr zu und salutierte spöttisch. Ekelhaft.
Er wusste, dass Nikki scharf auf seinen Job war, und konnte es nicht lassen, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit zu ärgern.
Sie biss die Zähne zusammen und rollte mit ihrem Stuhl zurück an den Schreibtisch. »Lass dich von ihm nicht ärgern.« Offenbar hatte Trina alles mitbekommen.
»Wenn es um Metzger geht, ist das leichter gesagt als getan.«
»Nein, ist es nicht. Lass dich nicht auf sein Spielchen ein. Lass es einfach von dir abperlen. Wie Wasser vom Rücken einer Ente.«
»Wenn du meinst.« Nikkis Verstand arbeitete fieberhaft. Was mochte oben in den Bergen im Norden Georgias so Bedeutungsvolles passiert sein? »Danke für den Tipp«, sagte sie zu Trina. »Du hast was bei mir gut.«
»Oh, ich habe bestimmt schon ein Dutzend oder mehr bei dir gut, aber wer wird denn zählen? Du kannst mich heute Abend zu einem Drink einladen. Denk dran, was immer auch geschieht, du darfst uns nicht im Stich lassen. Ich habe keine Lust, die einzig Vernünftige zwischen Dana in ihrem Hochgefühl und Aimee in ihrer Verzweiflung zu sein. Kommt nicht in die Tüte, Schätzchen. Du musst auf jeden Fall auftauchen.«
»Ich versprech’s dir.«
»Ja, ja, ich weiß.« Als ihr Telefon zu klingeln begann, ließ sich Trina in ihren Stuhl sinken und verschwand hinter der Trennwand. »
Savannah Sentinel
, Trina Boudine am Apparat …« Nikki verschwendete keine Zeit. Sie griff nach ihrem Handy und gab eine Nummer ein, die sie auswendig kannte. Ebenfalls eine Handynummer, und zwar die von Cliff Siebert, der als Detective bei der Polizei von Savannah arbeitete. Er legte Wert darauf, immer zu wissen, was los war, und aus irgendeinem Grund vertraute er sein Wissen für gewöhnlich Nikki an. Vielleicht war er an ihr interessiert, ein Gedanke, der ihr durchaus schon mal gekommen war, den sie aber im Moment nicht zulassen wollte. Bisher hatte er sie eigentlich noch nie angemacht. Nun ja, jedenfalls nicht in letzter Zeit.
Konnte auch sein, dass er sich ihr gegenüber so gesprächig zeigte, weil sie Big Ronald Gillettes Tochter war, aber der wahrscheinlichere Grund war doch wohl eher ein schlechtes Gewissen …
»Hi, ich bin’s«, sagte sie aufgeräumt, nachdem er sich gemeldet hatte.
Er stöhnte auf, doch es klang gutmütig. »Was willst du?«
»Da ist irgendwas im Busch. Etwas Bedeutsames, dem Grinsen auf Norm Metzgers Gesicht nach zu urteilen. Er ist auf dem Weg in den Norden. Nach Dahlonega.«
»Woher weiß er davon?«
»Wovon? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Es entstand eine kleine Pause, wie immer, wenn Nikki ihn bedrängte und Detective Siebert einen Kampf mit seinem Gewissen ausfocht. »Komm schon, Cliff. Was ist da los?«
»Kannst du nicht deinen Kollegen fragen?«, erwiderte er ausweichend. Wie immer.
»Soll das ein Witz sein? Du kennst doch meinen Boss. Tom ist eine gute alte Südstaatenseele, und hinter seiner liberalen Fassade ist er der Meinung, alle Frauen sollten eine Kreuzung zwischen Scarlett O’Hara und Heidi Fleiss sein.«
»Vorsicht, ich bin auch eine gute alte Südstaatenseele.«
»Du weißt schon, was ich meine«, sagte sie mit einem Seufzer. Cliff ging ihr auf die Nerven, aber auch das war nichts Ungewöhnliches. Er War ihr schon immer auf die Nerven gegangen. Cliff Siebert war in der Highschool der beste Freund ihres älteren Bruders gewesen. Andrew hatte dann die Duke University besucht, Cliff die Polizeiakademie absolviert. Und als er bereits bei der Polizei von Savannah arbeitete, machte er seinen Collegeabschluss. Seine Familie hatte Grundbesitz außerhalb der Stadt, drei Farmen, die sich seit sechs Generationen in der Familie befanden, doch Cliff hatte keine Lust gehabt, Farmer zu werden. Seit er zum ersten Mal einen schwarz-weißen Streifenwagen in den Straßen der
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