Ewig sollst du schlafen
noch genauso aus wie am Morgen, als er gegangen war. Der Kater beäugte die beiden Männer misstrauisch vom Bücherschrank aus, und der kleine Hund tänzelte um Reeds Füße herum. »Sie hat ein neues Haustier«, erklärte Cooper. »Sie müsste es eigentlich besser wissen. Hunde sind in diesem Haus nämlich nicht gestattet. Ich habe ihr schon bei ihrem Einzug gesagt, dass die Katze eigentlich gegen die Hausordnung verstößt.«
»Der Hund gehört einer Freundin«, sagte Reed, dann hörte er die Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter ab. Die, wie Cooper berichtete, die anderen Polizisten, die hierher geschickt worden waren, bereits abgehört hatten. Es waren zwei. »Hey, hier ist Sean. Komm schon, Nik, mach’s mir nicht so schwer, ja? Ruf mich an. Die Nummer kennst du ja.« Reed biss die Zähne zusammen; der Tonfall des Kerls gefiel ihm nicht. Nach einer Weile folgte die nächste Nachricht. »Nikki?«, flüsterte eine zarte Frauenstimme. »Nikki, hier … hier ist Mom … Ruf mich an … Es, hm, es ist dringend.« Eine längere Pause. »Es geht um Dad.« Diese Worte waren um siebzehn Minuten nach vier Uhr nachmittags aufgesprochen worden. Vor ein paar Stunden.
Er drückte die mit »Mom + Dad« beschriftete Taste. Das Freizeichen erklang, bis der Anrufbeantworter ansprang und die Stimme des Richters den Anrufer dröhnend anwies, Namen, Telefonnummer und Nachricht zu hinterlassen. Reed folgte der Aufforderung. »Hier spricht Detective Pierce Reed vom Polizeirevier Savannah. Ich suche Nicole Gillette. Falls Sie von ihr hören, sagen Sie ihr bitte, sie möchte mich anrufen.« Er nannte seine Handynummer und legte auf.
»Ich weiß nicht recht, was ich mit diesem Hund anfangen soll«, sagte Fred Cooper und musterte den kleinen Hund mit geschürzten Lippen. »Das habe ich auch schon den Polizisten zu verstehen gegeben, die eben hier waren.«
»Aber ich weiß es. Zunächst bleibt er hier. Bis Nikki wieder auftaucht.«
»Aber ich bin von Rechts wegen verpflichtet …« Er seufzte und gab klein bei. »In Ordnung. Soll er erst einmal bleiben. Aber wenn sie zurückkommt, will ich sie sprechen, und zwar sofort.«
Reed konnte nur hoffen, dass Cooper die Gelegenheit bekam, Nikki zur Rede zu stellen. Als er durch Regen und zunehmende Dunkelheit zum Gebäude des
Sentinel
fuhr, wurde er das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte. Niemand seiner Kollegen hatte ihn angerufen, obwohl Morrisette ihm versprochen hatte, sich zu melden, falls die Streifen, die sie zu Nikkis Wohnung und zur Redaktion schicken wollte, etwas in Erfahrung brachten. Reed mochte nicht tatenlos herumsitzen und warten. Er beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.
Nachdem er das Redaktionsbüro aufgesucht hatte, war er keineswegs beruhigt. Nikki hatte am Nachmittag ihren Schreibtisch ausgeräumt und hatte die Redaktion verlassen, und niemand, nicht einmal ihre Kollegin Trina, hatte seitdem etwas von ihr gehört.
Was eigentlich nicht allzu verwunderlich war, und doch verspürte Reed, als er nun an ihrem verlassenen Arbeitsplatz stand und den grusligen Bildschirmschoner auf ihrem Monitor sah, stetig wachsende Unruhe.
Tom Fink allerdings machte sich keine Sorgen. »Hören Sie, ich habe es Ihren Kollegen auch schon erklärt: Sie war sauer, hat ihr Büro aufgelöst und ist gegangen.« Fink, ein Wichtigtuer, wie er im Buche stand, lehnte sich mit der Hüfte an Nikkis ehemaligen Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie ist ein Hitzkopf.«
»Warum ist sie gegangen?«
»Hatte was gegen die Story, die ich von ihr wollte.«
»Und was für eine Story war das?«
»Eine neue Episode über den Grabräuber.«
»Und sie hatte etwas dagegen einzuwenden?« Reed wusste, was jetzt folgen würde. »Lassen Sie mich raten … Es sollte ein Artikel über das jüngste Opfer werden, nicht wahr?«
Fink zuckte mit den Schultern. »Wir haben mitgekriegt, dass der Killer Simone Everly umgebracht hat. Sie war mit Nikki befreundet. Es erschien mir ganz selbstverständlich, dass wir was darüber bringen.«
»Um die Auflage zu erhöhen.«
»Das ist unser Geschäft, Detective Reed.« Norm Metzger, der schmierige Kriminalfall-Reporter des
Sentinel
, gesellte sich zu ihnen. Offenbar hatte er hinter der Trennwand gelauscht. »Sie hätte dranbleiben müssen. Klar, sie hat ihre Freundin verloren, aber wie kann sie der noch helfen oder das nächste potenzielle Opfer retten, wenn sie ihre Geschichte nicht erzählen und die Öffentlichkeit nicht warnen
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