Ewig sollst du schlafen
sich daran, dass Simone tot war … O nein … Vielleicht hatte sie es nur geträumt, und … Sie hob den Kopf.
Ein Poltern!
Ihre Stirn stieß gegen etwas Hartes.
Vor Schmerz traten ihr Tränen in die Augen. Was geschah mit ihr? Sie wollte die Hand heben und die Beule an ihrer Stirn befühlen, aber sie konnte sich kaum bewegen … Es schien, als sei sie in eine Kiste eingezwängt … eine schmale Kiste und … und … Etwas stimmte hier nicht, aber sie kam nicht darauf, was es war.
Denk nach, Nikki, denk nach! Wo zum Teufel bist du? Du müsstest es doch wissen.
Sie versuchte, sich zu konzentrieren, doch der Wunsch einzuschlafen übermannte sie immer wieder.
Du darfst jetzt nicht schlafen! Was ist bloß geschehen?
Sie bemühte sich, ihre Umgebung zu ertasten, vermochte sich jedoch kaum zu rühren. Noch empfand sie bloß eine vage Furcht. Sie spürte die Matratze unter ihrem Rücken. Klumpig. Weich und kalt und uneben drückte sie an Rücken und Schultern. Wenn sie den Kopf drehte, stieß sie mit dem Hinterkopf an etwas Hartes und … und … O nein! Ratternd hoben sich ihre Lider. Ihr Verstand war benebelt, das Denken strengte sie an. Wo war sie nur? Sie hatte jemanden gesucht … und … O Gott, lag sie etwa in einem Sarg? Wie Simone? Mit einer Leiche unter ihr? Sie sollte besser kämpfen, um Hilfe schreien. Plötzlich fiel es ihr wieder ein: Sie würde lebendig begraben werden! Aber ihr Gehirn arbeitete nur schleppend; das Betäubungsmittel, das man ihr verabreicht hatte, drohte, ihr erneut das Bewusstsein zu rauben. Sie versuchte zu schreien, schaffte es aber nicht. Sie hatte den Eindruck, durch Treibsand zu waten. Ihr Kopf wurde einfach nicht klar. Sie erinnerte sich an die Spritze und daran, dass kurz darauf alles ringsum schwarz geworden war.
Vielleicht war es nur ein Traum, ein ganz schrecklicher Traum. Sie versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben, doch das Betäubungsmittel in ihrem Kreislauf war noch nicht abgebaut und zog sie zurück in die gnädige Dunkelheit …
Das Weibsstück hatte ihm wehgetan. In seinem Schritt pochte es noch immer, und seine Wange brannte von ihrem Angriff mit dem spitzhackigen Stiefel. Aber sie war ihm nicht entwischt. Sie sollte bekommen, was sie verdiente. Endlich. Wie die anderen auch. Nikki Gillette lag bereits im Sarg. Würde binnen kurzem ihren letzten Atemzug tun, bald schon Angst und Schmerz am eigenen Leib erfahren, das Entsetzen eines Menschen, der hilflos jemand Stärkerem ausgeliefert ist. Sie war, wie die anderen auch, vor ihm in die Knie gegangen. Hatte seine Kraft und seine Klugheit immer unterschätzt. Während er zur Stadt hinausfuhr, strich sich der Überlebende mit einer blutigen Hand über die Stirn und sah sein Gesicht flüchtig im Rückspiegel. Seine Züge waren von Schlamm und Blutspuren verunziert, ein Souvenir vom Le-Blanc-Friedhof. Das Haar war nass und klebte ihm am Schädel, seine Muskeln schmerzten von der harten Arbeit und von den Verletzungen, die sie ihm zugefügt hatte. Doch er hatte schon Schlimmeres erduldet und trotzdem überlebt. Nikki Gillettes Versuch, ihm Schaden zuzufügen, war absolut armselig.
Die Mission dieser Nacht war nahezu erledigt. Bald schon würde die Polizei eintreffen, und er stellte sich den Ausdruck des Grauens auf dem Gesicht von Detective Reed, diesem Schweinehund, vor, wenn er den tief in der Erde des Le-Blanc-Friedhofs vergrabenen Sarg öffnete. »Zu spät«, sagte der Grabräuber laut und führ stetig in Richtung Norden. Die Scheibenwischer waren dem Regen, der auf die Windschutzscheibe prasselte, nicht gewachsen. Über den Lichtern der Stadt sah er einen Blitz durch den Nachthimmel zucken. Darauf folgte bedrohliches Donnergrollen. Das erschien ihm als ein sehr passender Hintergrund. Wenn Nikki Gillette ihren letzten Atemzug tat, würde ein Unwetter tosen.
Leider konnte er seine Angelegenheiten nicht vollständig regeln. Nicht sofort jedenfalls. Er würde sich für eine Weile bedeckt halten müssen. Inzwischen wusste die Polizei mit Sicherheit, wer er war, und nach der heutigen Nacht brauchte er erst mal Zeit, bis er fähig war, sein Vorhaben weiterzuverfolgen. Aber die Hauptschuldigen waren bestraft. Diejenigen, die beim Prozess den größten Einfluss genommen hatten.
Die restlichen Geschworenen waren, das hatte er schon damals so empfunden, nachgiebiger gewesen, keine so starken Persönlichkeiten, leichter in ihrer Meinung zu beeinflussen. Doch sie kamen nicht davon. Er würde sie finden, einen nach dem
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