Ewig sollst du schlafen
etwas mitteilen … etwas Wichtiges.
Heute Abend. Es ist vollbracht.
Jemand hatte eine Aufgabe erfüllt, worin auch immer die bestehen mochte. Tief im Inneren wusste Nikki, dass es etwas Böses war, etwas Grauenhaftes. Sie dachte an die Gestalt auf der Straße, die sie heute früh gesehen hatte … nach ihrem Gespräch mit Reed. Lieber Himmel, konnte es etwas mit Pierce Reed zu tun haben? Das erschien ihr weit hergeholt, und trotzdem: Erst nachdem sie sich auf die Grabräuber-Geschichte gestürzt hatte, waren diese Nachrichten aufgetaucht.
Ausgeschlossen. Du ziehst vorschnelle Schlüsse, die keinen Sinn ergeben. Sei vernünftig, lass dich nicht von deiner Angst in die Enge treiben. Wer würde so etwas tun? Ein Feind? Wer außer dir und dem Vermieter besitzt einen Schlüssel zu deiner Wohnung?
Sie ging die Liste der Personen durch, denen sie jemals einen Schlüssel ausgehändigt hatte, doch sie kam zu dem Ergebnis, dass sie ihn immer zurückerhalten hatte. Blieb nur die Möglichkeit, dass jemand ihn hatte nachmachen lassen. Simone hatte sich gelegentlich ihren Wagen ausgeliehen, genauso wie Trina, und am Schlüsselbund hing auch ihr Wohnungsschlüssel. Wenn sie, Nikki, einmal außerhalb der Stadt zu tun hatte, war ihre Schwester Lily so freundlich, ihre Wohnung und Jennings zu hüten; ihr früherer Freund Sean Hawke und ihr Vater hatten auch einmal einen Schlüssel gehabt… Es waren zu viele, als dass sie sie noch hätte zählen können.
Im Augenblick war Nikki zu müde, um noch klar zu denken.
Außerdem glaubte sie nicht, dass jemand, den sie kannte und dem sie vertraute, mit der Sache zu tun hatte. Es könnte höchstens sein, dass jemand ihrer Bekannten nachlässig gewesen war und einem Fremden die Möglichkeit gegeben hatte, sich einen Nachschlüssel anfertigen zu lassen. Langsam tapste sie zurück zu ihrem Bett und warf die Decke zur Seite. Wenn der Eindringling eine Nachricht hinterlassen hatte, wer weiß, dann hatte er vielleicht noch mehr hinterlassen. Etwas noch Beängstigenderes. Eine ganze Stunde verbrachte sie damit, ihre Wohnung Zentimeter für Zentimeter abzusuchen, doch sie fand keinen weiteren Hinweis darauf, dass jemand ihre Wohnung betreten hatte. Erst danach schob sie einen Schreibtisch vor die Tür und versuchte, sich zu beruhigen.
Du solltest die Polizei rufen.
Aber was sollte sie sagen? Dass sie zwei Nachrichten erhalten hatte, die keinen Sinn ergaben?
Sie ergeben sehr wohl einen Sinn, und das weißt du genau.
Vielleicht morgen früh. Sie würde sich lächerlich machen. Die hartnäckige Reporterin Nikki Gillette war außer sich vor Angst, nur wegen ein paar alberner Botschaften. Auf jeden Fall konnte sie unmöglich in ihrem Bett schlafen … Die Vorstellung, dass irgendein Perverser es berührt hatte, war ihr unerträglich. Sie schleppte ihre Bettdecke ins Wohnzimmer, rollte sich auf dem Sofa zusammen und fragte sich, ob sie sich in ihrem Bett beziehungsweise in ihrer Wohnung jemals wieder sicher fühlen würde. Seit jeher hatte sie ihre Turmwohnung als ihr Refugium betrachtet. Und jetzt war es entweiht worden. »Scheißkerl«, sagte sie leise. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sie vergrub sich tief unter der Bettdecke und schloss die Augen. Doch ihre Ohren waren weiterhin gespitzt und lauschten auf jedes noch so winzige Geräusch, das ungewöhnlich war. Doch sie hörte nur das Seufzen des Windes und das Rumpeln der Heizung. Wer hatte diese Nachrichten für sie hinterlegt? Und warum?
Es war dunkel auf dem Friedhof. Nur eine schmale Mondsichel, immer wieder verdeckt von dünnen Federwolken, spendete ein wenig Licht. Ein kalter Wind pfiff zwischen den bleichen Grabsteinen hindurch und ließ die Äste knarren, an denen Spanisches Moos einen schwankenden Tanz vollführte.
Die Stadt lag still da. Als der Überlebende die alte Dame zu ihrer letzten Ruhestätte schleppte, hörte er nichts außer seinem eigenen Herzschlag und seinem schweren Atem. Sie steckte in einem Sack, reglos, aber schwerer, als er es erwartet hatte. Mit geräuschlosen Schritten näherte er sich unbeirrbar dem Grab, einer schwarzen gähnenden Grube, in der bereits eine Tote ruhte. Den Sarg hatte er zuvor schon aufgestemmt, das Mikrofon war angebracht. Er ließ den Körper in die Grube gleiten und stieg dann selbst hinein. Um ihn herum ragte feuchte Erde auf, und der Geruch stieg ihm in die Nase. Während er den Körper aus dem Sack befreite und in den Sarg zwängte, umfing ihn die Dunkelheit. Als er schließlich
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